Draghi will – aber er darf nicht

von Redaktion

VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom – Italien steuert auf Neuwahlen im Herbst zu. Acht Monate vor dem regulären Ende der Legislaturperiode verweigerten drei Regierungsparteien bei der Vertrauensabstimmung am Mittwochabend Ministerpräsident Mario Draghi das Vertrauen. Die linksorientierte Fünf-Sterne-Bewegung, die die Krise in der vergangenen Woche ausgelöst hatte, die rechte Lega sowie Silvio Berlusconis konservative Forza Italia, stimmten nicht für einen Beschluss, demzufolge die Regierung unter Draghi im Amt bleiben sollte.

Es wurde erwartet, dass der 74 Jahre alte Premierminister am Donnerstag seinen definitiven Rücktritt in Rom bei Staatspräsident Sergio Mattarella einreichen würde. Der hatte Draghis Rücktritt vergangene Woche noch abgelehnt, nachdem die Fünf-Sterne-Bewegung schon damals in einer Vertrauensabstimmung über ein Hilfsdekret ihre Unterstützung verweigerte. Eine fünftägige Pause, so hoffte der Staatspräsident, hätten Draghi und das Parlament noch zur Besinnung bringen können. Dem war nicht so. Draghi wird die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung übernehmen. Möglicher Termin für Neuwahlen: 2. Oktober.

Damit endet die „Regierung der nationalen Einheit“ nach nur 17 Monaten. In der laufenden Legislaturperiode in Italien ist es bereits die dritte Regierung, die scheitert. Unter der Regie von Staatspräsident Sergio Mattarella hatte der parteilose frühere Präsident der Europäischen Zentralbank als parteiübergreifend anerkannte Integrationsfigur die Führung der Exekutive im Februar 2021 übernommen. Wegen der außergewöhnlichen Umstände wie der Corona-Pandemie, und ihren wirtschaftlichen Folgen war damals von einem „Pakt der nationalen Einheit“ die Rede. Eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung war es, Reformen im Gegenzug für EU-Milliardenhilfen, zu liefern.

Trotz der internationalen Lage mit dem Ukrainekrieg und Inflation, entschieden sich die Parteien gegen eine Weiterführung, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven. Die Fünf-Sterne-Bewegung unter Ex-Premier Giuseppe Conte, die in schwere interne Konkurrenzkämpfe verwickelt ist und um ihren Verbleib im Parlament kämpft, wollte sich vor den Wahlen als sozialpolitische Kraft positionieren. Sie hatte dem Premier eine Liste von Bedingungen gestellt, auf die Draghi in seiner Rede vor dem Senat auch einging.

Nach Draghis Regierungserklärung am Nachmittag bestanden die Rechtsparteien der Koalition, die von Matteo Salvini geführte Lega und Forza Italia, dann auf einer Neuauflage der Koalition ohne die Fünf-Sterne-Bewegung. „Wir sind dabei“, sagte Lega-Politiker Massimiliano Romeo, „aber nur mit einer neuen Mehrheit, einer neuen Regierung ohne die Fünf Sterne und neuen, ehrgeizigen Zielen“. Notwendig sei eine „deutliche Diskontinuität“, ob es zu diesem Umschwung käme, liege nun an Draghi.

Die Berlusconi-Partei schloss sich dieser Haltung an. Hintergrund waren wohl wahltaktische Überlegungen. Die Rechte spekuliert, mit einer neuen weiter rechts stehenden Regierung unter Draghis Führung eigene Projekte voranzubringen und so Punkte bei ihren Wählern gut zu machen. Damit wurde deutlich, dass im römischen Politik-Chaos nun wieder eine Logik der Erpressungen vorherrschte, die dem Appell Draghis zu einer Neuauflage des Paktes der nationalen Einheit nicht entsprach.

Der Premierminister hatte nach der fünftägigen Pause seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, die Regierung doch noch weiterzuführen. „Wir brauchen einen neuen Vertrauenspakt“, sagte Draghi in seiner Rede. Er listete die Erfolge auf und warnte davor, wichtige Fristen im Hinblick auf die EU-Hilfsgelder verstreichen zu lassen. Auch angesichts der schwierigen internationalen Lage sei Geschlossenheit notwendig. „Italien ist stark, wenn es einig ist“, sagte Draghi. Er fragte die Parteien, ob sie bereit seien, „die Anstrengungen zu bestätigen, die Sie in den ersten Monaten unternommen und dann abgeschwächt haben“. Die Antwort sollte nicht ihm, sondern „allen Italienern“ gegeben werden.

Nun wird der Staatspräsident das Parlament auflösen, der Wahlkampf beginnt. Allem Anschein nach dürfte Italien dann im Herbst von einer rechtspopulistischen Regierung geführt werden.

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