VON GEORG ANASTASIADIS
Sieh da. Wladimir Putin hat seine Gasröhre Nord Stream 1 noch mal genauer inspiziert. Und, Schreck lass nach, festgestellt, dass da gerade noch eine zweite Turbine ihren Geist aufgibt. Weshalb, leider leider, die Gaslieferungen doch nicht im alten Umfang wieder aufgenommen werden können. Es sei denn, Deutschland entschlösse sich, doch noch die Bauruine Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen….
Dieses Angebot ist so unmoralisch – und die Lüge so dreist –, dass Putin kaum annehmen kann, dass sich in Berlin darauf jemand einlässt, von AfD und Linkspartei mal abgesehen. Aber darauf kommt es dem Gas-Dealer im Kreml ja auch gar nicht an. Ihm reicht es, Zwietracht zu säen. Und Europa ansonsten in einem Schwebezustand zwischen Hoffen und Bangen zu halten. Gleich, ob Russland am Donnerstag das Gas wieder strömen lässt – keiner weiß, ob das dann in zwei Wochen auch noch so wäre, egal wie weit man ihm im Westen entgegenkäme. Im Zweifel fällt dem Kremlchef immer ein neuer Vorwand ein, um am Gashahn zu drehen. Putin will, wie auf den Schlachtfeldern der Ukraine, auch im Gas-Krieg die Eskalationsdominanz behalten. Ein verlässlicher Partner, wie mancher unverdrossen behauptet, war er noch nie.
Europa wäre verrückt, sich auf dieses Katz-und-Maus-Spiel einzulassen. Die EU muss sich mit voller Kraft für den Gas-Notfall rüsten, mögliche Sparvorgaben für die Mitglieder inklusive. Auch die Berliner Ampel muss noch viele Hausaufgaben erledigen – Stichwort Atom und Biogas. Und alle müssen im Stillen hoffen, dass es in Moskau noch einen Rest an ökonomischer Vernunft gibt. Niemand zahlt so fürstlich für russisches Gas wie Europa. Das marode, tief in der Rezession versinkende Russland kann auf diese Einnahmen auf Dauer nur schwer verzichten. Den Gaspreis mit immer neuen Spielchen hochzutreiben, ist eine Sache. Den Hahn zuzudrehen eine andere. Denn dann ist das Spiel aus – auch für Putin.
Georg.Anastasiadis@ovb.net