Kiew/Moskau/Berlin – Während Deutschland gespannt darauf wartet, ob Russland wieder ausreichend Gas liefert, hat Moskau für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit neuen Gebietseinnahmen gedroht. Es gehe nicht mehr nur um den Donbass mit den von Russland anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk und um die südukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja, sondern auch um „eine Reihe anderer Territorien“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Interview des Moskauer staatlichen Fernsehsenders RT. „Dieser Prozess geht weiter, er geht folgerichtig und mit Nachdruck weiter.“
Nach Darstellung von Lawrow erhält die Ukraine Waffen vom Westen mit immer größerer Reichweite von inzwischen bis zu 300 Kilometern. Entsprechend würden die ukrainischen Truppen immer weiter zurückgedrängt, damit für die „Volksrepubliken“ oder Russland keine Bedrohung entstehe. Lawrow sagte: „Die Geografie ist jetzt schon eine andere“. Die „geografischen Ziele“ Moskaus würden sich noch weiter von der derzeitigen Front entfernen, wenn der Westen die Ukraine weiterhin mit Waffen „vollpumpt“, warnte er. Nachdem es der russischen Armee zu Beginn ihres Einsatzes nicht gelungen war, die ukrainische Hauptstadt Kiew einzunehmen, nahm sie anschließend die östlichen Regionen Donezk und Luhansk ins Visier.
Auch am 147. Tag des Krieges gingen die Kämpfe vor allem im Osten und Süden der Ukraine weiter. Das ukrainische Militär geht im Süden des Landes weitere Schritte zur geplanten Rückeroberung von Territorium. In der von Russland besetzten südukrainischen Stadt Cherson wurde die einzige Straßenbrücke über den Fluss Dnipro geschlossen. „Wir haben etwa acht Treffer bei der Antoniwka-Brücke gezählt, der Brücke wurde ein ernsthafter Schaden zugefügt“, sagte der Vizechef der Besatzungsverwaltung des Gebiets Cherson, Kirill Stremoussow, der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge. Insgesamt seien zwölf Raketen mit US-amerikanischen Himars-Raketenwerfern auf das ein Kilometer lange Bauwerk abgefeuert worden. Bereits am Vortag gab es Treffer.
Die Ukraine plant seit Längerem in der Region die Rückeroberung von Gebieten und kündigte dafür mehrfach eine Offensive an. Die Zerstörung der Flussquerungen wurde als Option genannt, um einen Rückzug der russischen Truppen auf das linke Dnipro-Flussufer zu verhindern. Kiew hatte die Zivilbevölkerung mehrfach zur Flucht aufgefordert.
Unterdessen kündigte Syrien an, seine diplomatischen Beziehungen zur Ukraine abzubrechen. Grund sei, dass die Ukraine vor vier Jahren Visa syrischer Diplomaten nicht erneuerte. Sana berief sich dabei auf das Außenministerium, das der Ukraine vorwarf, damals diplomatische Beziehungen abgebrochen zu haben. Kremlchef Wladimir Putin, Irans Präsident Ebrahim Raisi und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatten in Teheran über die Lage in Syrien beraten. Moskau ist im syrischen Bürgerkrieg neben dem Iran der engste Verbündete der Führung in Damaskus.