Baerbock als Seelsorgerin in München

von Redaktion

Außenministerin spricht mit Bürgern über Wehrpflicht, Bildung und Therapieplätze

München – Ein herzlicher Empfang für Annalena Baerbock: Noch bevor sie im Amerikahaus am Münchner Karolinenplatz ankommt, begrüßen 400 Demonstranten die Außenministerin mit Dankesrufen. „Danke Deutschland!“, ruft eine Ukrainerin, „danke für eure Unterstützung. Wir dürfen jetzt nicht aufhören, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern!“ Drinnen, im Amerikahaus, warten gut 300 Münchner auf die Grünen-Politikerin. Sie wollen mit ihr über ihre Ängste sprechen: die Energieknappheit, die Klimakrise, Geldsorgen – und auch darüber, wie weit Deutschland noch gehen wird, um die Ukraine zu unterstützen.

Es ist die letzte Station auf Baerbocks Deutschlandtour. 4111 Kilometer hat sie in acht Tagen zurückgelegt, um mit Bürgern von Bremen über das Ahrtal bis in den bayerischen Süden Frage-Anwort zu spielen. Es geht rund um die nationale Sicherheitsstrategie. Das Signal: Bürger sollen sich engebunden fühlen, bevor die Bundesregierung ein neues Konzept entwickelt. „Was können wir tun, damit Sie sich sicher fühlen?“, fragt die 41-Jährige in die Runde. Zuvor haben 40 Bürger in Workshops über diese Frage nachgedacht und Präsentationen erarbeitet. Baerbock nickt und macht sich Notizen. Sie selbst nennt es eine „Zuhör-Tour“.

„Frau Ministerin, wann kommt die Wehrpflicht?“, fragt ein Mann aus dem Publikum. „Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Menschen zu etwas zu verpflichten, was sie nicht wollen“, antwortet sie – weder für die Bundeswehr noch für einen Ersatzdienst. „Erst recht nicht, wenn es wahnsinnig viele Freiwillige gibt, die sich gern engagieren wollen, es aber aus finanziellen Gründen nicht können.“ Der Staat müsse daran arbeiten, diese Menschen zu unterstützen. Beifall aus dem Publikum – diese Antwort kommt gut an.

Generell bekommt Baerbock viel Zuspruch von den Gästen – unter denen wohl auch einige Fans sitzen. Es geht nicht nur um Krieg und Frieden, viele nutzen auch die Gelegenheit, um mit der Ministerin über allgemeine Probleme zu sprechen. „Was können wir tun, damit Menschen einfacher an Therapieplätze kommen?“, fragt eine Psychotherapeutin. „Ich könnte es mir einfach machen und sagen, dafür ist der Gesundheitsminister zuständig“, sagt Baerbock. „Aber beim Thema Sicherheit hängt alles miteinander zusammen. Hier geht es um ein riesiges Problem, an dem wir arbeiten müssen.“

Immer wieder fallen Schlagwörter wie Bildung, soziale Sicherheit, Klimakrise und Gesundheitspolitik – Dinge, die sowohl junge als auch ältere Gäste beschäftigen. Das alles sei wichtig für die innere Sicherheit, sagt Baerbock. „Innere und äußere Sicherheit lassen sich nicht trennen.“ Sie erzählt von einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Niger, wo sie gespürt habe, „was 50 Grad bedeuten“. „Er sagte mir, Top-Themen seien für ihn Bildung und die Gesundheitsaufklärung von Frauen. Das war einer der beeindruckendsten Momente meiner letzten acht Monate.“ Solche „weichen Themen“ seien essenziell für die Bekämpfung von Hunger und Dürre.

In diesen eineinhalb Stunden präsentiert sich Baerbock weniger als Außenministerin, mehr als eine Seelsorgerin, das Mädchen für alles. Den Bürgern zeigt sie, dass sie ihre Sorgen ernst nehme – ohne aber konkrete Lösungen vorzubringen. Natürlich sei es wichtig, dass jeder seine Gasrechnung bezahlen kann. Wie, bleibt unklar. Eine Antwort darauf, wie weit Deutschland bei der Unterstützung für die Ukraine gehen wird, gibt’s auch nicht. Nur so viel: „Der Einsatz von Militär sollte unser letztes Mittel sein, und in dieser Situation befinden wir uns gerade.“ Den Baerbock-Fans im Raum reicht das als Antwort – den einzelnen Demonstranten, die auch nach der Kundgebung noch mit Schildern vor dem Amerikahaus stehen, womöglich nicht. KATHRIN BRAUN

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