SEBASTIAN HORSCH
Das ging selbst für Kreml-Verhältnisse schnell. Keine 24 Stunden nach der Einigung zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine schlugen russische Geschosse in der Hafenstadt Odessa ein. Der Eindruck: Das umjubelte Abkommen scheint nicht viel wert zu sein.
Nach den Explosionen begann der Eiertanz. Zunächst bestritt der Kreml offenbar gegenüber der Türkei, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Angesichts der verwendeten russischen Kalibr-Marschflugkörper eine kaum haltbare Behauptung. Dann bekannte sich Moskau doch zu dem Angriff. Man habe aber nur militärische Ziele getroffen. Es ist die typische Mischung aus Verschleierung und Salamitaktik, die man bereits kennt. Auch beim Abschuss einer Passagiermaschine über der Ostukraine im Jahr 2014 wies Russland jede Verantwortung von sich und blockierte die Aufklärung. Dabei war es Ermittlungen zufolge eine russische Rakete, die das Flugzeug traf und 298 Insassen tötete – mutmaßlich abgeschossen von prorussischen Separatisten. Und mit den zahlreichen Anschlägen auf Regimegegner im Ausland will man natürlich auch nichts zu tun haben.
Moskaus flexibler Umgang mit der Wahrheit ist nicht neu. Doch gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wird er zum noch größeren Problem. Denn egal, wie die Kämpfe verlaufen – am Ende werden in irgendeiner Weise Friedensverhandlungen stehen müssen. Nur lässt sich sehr schwer mit jemandem verhandeln, der immer wieder beweist, dass man seinen Worten nicht trauen kann.
Sebastian.Horsch@ovb.net