München – Dass Friedrich Merz der Bundesregierung einen Schritt voraus ist, ist nichts Neues. Anfang Mai reiste er in die Ukraine, damals als einer der allerersten deutschen Spitzenpolitiker. Erst nach und nach bestiegen auch Regierungsmitglieder einen Zug nach Kiew, Olaf Scholz schließlich Mitte Juni.
Heute begibt sich Merz erneut auf eine Reise, die bereits im Vorfeld für Aufsehen sorgt. Der CDU-Vorsitzende fliegt nach Polen und wird dort unter anderem Ministerpräsident Mateusz Morawiecki treffen. Zuletzt hatte Polens Vize-Außenminister den Deutschen im Zusammenhang mit dem geplanten Ringtausch bei Waffenlieferungen in die Ukraine ein „Täuschungsmanöver“ vorgeworfen, weil man selbst geliefert, aber aus Berlin noch keinen Ersatz bekommen habe. Zwischen Berlin und Warschau besteht also akuter Gesprächsbedarf. Eigentlich wäre das ein Fall für Scholz.
Dem Kanzler kann die Reise als solche ebenso wenig gefallen wie die Begründung durch die Unionsfraktion. Angesichts des „offenkundigen Scheiterns des Ringtauschs“ halte man es für dringend erforderlich, „enge Kontakte zur politischen Führung in Warschau und Vilnius zu unterhalten“. In Litauen, seiner zweiten Station, wird Merz mit Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte zusammenkommen. Darüber hinaus will er den Stützpunkt der multinationalen Truppe an der Ostflanke der Nato in Rukla besuchen, die von der Bundeswehr geführt wird.
Nicht der Kanzler also glättet die Wogen, die der missglückte Ringtausch geschlagen hat, sondern der Oppositionsführer. Aus der Regierung ist es vor allem Annalena Baerbock, die Schadensbegrenzung betreibt. In Prag traf sich die Außenministerin mit ihrem Kollegen aus Tschechien. Das Nachbarland war beim Ringtausch ebenfalls in Vorleistung gegangen. Man sei „in der Finalisierungsphase des gemeinsamen Vertrags“, sagte Baerbock anschließend. Die Vereinbarung könne Vorbildcharakter für Vereinbarungen haben: „Da müssen wir uns genau anschauen, wie wir das auf andere Länder übertragen können, damit die Lieferungen auch schnell stattfinden.“
Weil es daran zuletzt gehapert hatte, waren Rufe laut geworden, die Ukraine stärker als bisher auf direktem Wege mit Waffen zu versorgen. Gestern teilte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nun mit, dass deutsche Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II sowie weitere drei Panzerhaubitzen 2000 im Kriegsgebiet eingetroffen sind. Erst am Montag hatte Kiew bekannt gegeben, nach langem Warten seien die ersten drei Flugabwehrpanzer des Typs Gepard an die ukrainische Armee übergeben worden.
In Moskau wurde derweil Gerhard Schröder gesichtet, und das nicht nur zu Urlaubszwecken, wie er einem Reporter weismachen wollte. Seine Ehefrau verneinte dies gegenüber dem „Spiegel“ und präzisierte, ihr Mann führe in Russland „Gespräche über Energiepolitik“. Laut dem Magazin soll es bei diesen Terminen mal wieder um Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 gegangen sein.
Ob Schröder auch seinen alten Freund Wladimir Putin traf, ist bisher nicht bekannt. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow teilte nebulös mit, es sei kein Treffen geplant, „aber wir schließen nicht aus, dass es zu Kontakten kommen könnte“. Es wäre nicht der erste Versuch Schröders, die Gasblockade zu lösen. Zu viel erwarten sollte man also nicht. MARC BEYER