„Ein Diplomat ist kein Roboter“

von Redaktion

Melnyk verlässt Berlin – Steinmeier erneut in Kiew eingeladen

München – Worte der Reue: „Das war wohl nicht angemessen“, sagt der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk – und meint damit die Spitze gegen Bundeskanzler Olaf Scholz, als er ihn vor einigen Wochen eine „beleidigte Leberwurst“ nannte. „Ich fand es nicht in Ordnung, dass der Bundeskanzler aus fadenscheinigem Grund nicht in die Ukraine gereist ist“, erklärt Melnyk im Interview mit der „Zeit“. „Vielleicht hätte ich ein anderes Wort wählen sollen, aber dieses Gefühl entsprach der Meinung in der ganzen Ukraine.“

Undiplomatische Aussagen wie diese haben dazu geführt, dass der Diplomat entlassen wurde – in „zwei, drei Wochen“ werde er Deutschland verlassen, sagt Melnyk. Leicht fällt ihm der Abschied nicht. „Das war für mich der beste Traumjob, den ich je hatte. Besser als Papst.“ Siebeneinhalb Jahre hat der 46-Jährige hier gelebt.

Wie es nun für Melynk weitergeht, ist noch unklar – es gebe „einige Angebote“ aus Kiew. Seine Karriere als Diplomat lässt er aber wahrscheinlich hinter sich. „Ich habe promoviert, unterrichtet, Bücher geschrieben. Vielleicht sollte ich nun doch was anderes tun.“ Dennoch sei der diplomatische Dienst „seine große Liebe“ gewesen. Er habe das Handwerk auf seine eigene Weise beherrscht. „Es hätte uns bestimmt nicht weitergebracht, wenn ich schweigsamer gewesen wäre oder nur höflich gelächelt hätte.“ Seine Ausrichtung sei richtig gewesen, so Melnyk. „Vielleicht hätte ich nicht so oft überziehen sollen.“

Er könne gut verstehen, wenn er vielen Deutschen mit seinen Auftritten auf die Nerven gegangen ist. Es sei Melnyk aber nicht möglich gewesen, ruhig zu bleiben und nicht anzuecken. „Ein Diplomat ist kein Roboter.“ Gerade in turbulenten Zeiten bräuchten Menschen Emotionen und Leidenschaft – in jedem Beruf. „Mir wurde übel bei der Vorstellung, in meinem Land herrscht nun ein echter Vernichtungskrieg der Russen, und ich verschicke wieder eine freundliche Anfrage und warte wochenlang auf einen Termin im Kanzleramt oder Auswärtigen Amt.“

Ein „offenenes Gespräch“ erhoffe er sich vor allem mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. „Im letzten Telefonat hat Präsident Selenskyj ihn zum zweiten Mal persönlich eingeladen“, so der Botschafter.  kab

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