Nürnberg – Als sie noch SPD-Chefin war, schien Andrea Nahles die Krisen nur so anzuziehen – in ihrem am Montag startenden neuen Job als Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwarten die 52-Jährige ebenfalls gewaltige Herausforderungen. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, weil die Flüchtlinge aus der Ukraine in der Statistik auftauchen. Dazu kommen die drohenden Auswirkungen der Energiekrise auf die Wirtschaft und der Fachkräftemangel.
Die Übernahme des Chefpostens der BA mit ihren 101 000 Mitarbeitern hat bemerkenswerte Begleitumstände: Nicht nur, dass Nahles jetzt der Behörde vorsteht, über die sie als Bundesarbeitsministerin von 2013 bis 2017 die Fachaufsicht hatte. Sie kann nun auch das in der Praxis umsetzen, was ihr als SPD-Chefin nicht gelungen ist, obwohl es ihr Herzensanliegen gewesen ist: die Ablösung von Hartz IV durch das neue Bürgergeld, das ihr Parteigenosse Hubertus Heil just als Entwurf vorgelegt hat.
Nahles präsentiert sich drei Jahre nach ihrem bitteren Ausstieg aus der Politik voller Tatendrang und Energie. In einem Interview mit dem „Spiegel“ an diesem Wochenende zeigt sie, dass sie den Rollentausch von der Politik in die Administrative bereits intus hat. Den Seitenwechsel konnte sie seit 2020 üben, als sie Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation wurde. So weicht Nahles der Frage nach der Finanzierung der zu erwartenden Explosion der Sozialkosten cool aus: „Es muss eine Debatte darüber geben, wer dafür zahlt. Aber daran beteilige ich mich nicht als Vorsitzende der Bundesagentur. Das ist Aufgabe der Politik.“
Nahles, die durch alle Höhen und Tiefen in der Politik gegangen ist, zeigt keine Spuren von Bitterkeit. Die alleinerziehende Mutter freut sich auf die neue Aufgabe, zumal sie die erste Frau an der Spitze der Bundesagentur ist. Eine „pole position“, mit der sie sich auskennt: Schließlich war sie auch die erste SPD-Vorsitzende. Doch im Vorstand der Bundesagentur ist sie nicht die einzige Frau – zwei Vorstandskolleginnen stehen ihr zur Seite und ein Mann. „Auch deshalb fühle ich mich so gut wie selten in der neuen Position und wir haben gescherzt, dass wir nun den einzigen Mann in der Runde sogar ein bisschen schützen müssen“, sagt sie in dem „Spiegel“-Interview.
Dass sie weiß, wie der politische Prozess in Berlin läuft und wie die Bundesagentur funktioniert, wird der 52-Jährigen zugute kommen. Sie ist nach wie vor gut vernetzt in der SPD, befreundet mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Nahles ist bewusst, dass sie ihr Amt in der womöglich größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit antritt. „Wir werden besonnen handeln“, sagt sie und verweist darauf, dass die Behörde auch in der Coronakrise mit sechs Millionen Kurzarbeitern die Lage gemeistert habe. Derzeit sei der Arbeitsmarkt noch „sehr aufnahmefähig“ – noch ist die Bundesagentur nach ihren Worten mehr Berufsberatung als Jobbörse. Sie ist fest davon überzeugt, dass Deutschland es mit jedem Monat schaffe, unabhängiger vom russischen Gas zu werden. „Es gibt dieses Licht am Ende des Tunnels“, zeigt sie sich zuversichtlich. Und da kommt er doch wieder durch, der antrainierte Politiker-Sprech. Politische Ambitionen allerdings weist sie zurück. Es gibt genug zu tun bei der Bundesagentur. cm/afp