Baerbock in Istanbul

Politik der klaren Worte

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Schwieriger kann eine Reise für eine Außenministerin kaum sein. Erst Griechenland, dessen Beziehung zu Deutschland auch Jahre nach der Finanzkrise kompliziert bleibt, wie beispielsweise die Forderung nach Reparationszahlungen für einen 80 Jahre zurückliegenden Krieg verrät. Dann die Türkei, die sich in der Nato als höchst launischer Partner erweist, die hart gegen Kurden und Oppositionelle vorgeht – und die gleichzeitig Putin umgarnt, obwohl sie die Ukraine unterstützt. Zwei Länder, deren historisch schwierige Beziehung noch dazu aktuell einen Tiefpunkt erreicht. Nein: Annalena Baerbock konnte es gar nicht allen Recht machen. Und gemessen daran, hat sie mit ihrem klaren Auftreten vor allem in Istanbul sogar ziemlich viel richtig gemacht.

Unter Angela Merkel war es üblich geworden, dass sich deutsche Außenminister in der Bedeutungsschwere ihres Amtes verloren. Stets sorgenvolle Mienen, selten klare Worte: Westerwelle, Steinmeier, Maas verstanden sich gerade gegenüber schwierigen Partnern zu oft als Chef-Diplomaten. Baerbock dagegen nannte in beiden Ländern die Probleme beim Namen. Und dass ein Land die territoriale Souveränität eines Nato-Partners aggressiv infrage stellt, musste man einfach kritisieren. Auch wenn es dem türkischen Amtskollegen nicht gefällt. Das entspricht übrigens schon länger Baerbocks Verständnis von Außenpolitik – gegenüber Wladimir Putin musste sie deshalb die wenigsten Kurskorrekturen vornehmen.

Klar: Als Vermittlerin hat sich Baerbock mit ihrem Auftreten nicht ins Spiel gebracht. Aber geschenkt. Erdogan wird das alles ohnehin im anstehenden Wahlkampf freudig ausschlachten. Für ihn war Außenpolitik schon immer in erster Linie Vehikel zum Machterhalt.

Mike.Schier@ovb.net

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