Washington/Peking – Es ist eine Visite, die noch nicht einmal feststeht. Doch allein das Gerücht, dass Nancy Pelosi nach Taiwan reisen will, belastet das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China. Alle Augen sind auf die führende US-Demokratin und Vorsitzende des Repräsentantenhauses gerichtet: Wird sie trotz expliziter Warnungen Pekings in die demokratische Inselrepublik Taiwan reisen – und schlimmstenfalls eine Eskalation provozieren?
Zu Beginn ihrer Asien-Reise am Sonntag lässt Pelosi aber alle weiter rätseln. Ihre Mitteilung erwähnt nur Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan als Stationen. Auf Medienberichte, dass sie auch nach Taiwan reisen wolle, wie es aus ihrem Umfeld heiße, geht sie nicht ein. „Ich spreche nie über meine Reisen, denn wie einige von Ihnen wissen, ist das eine Frage der Sicherheit“, hatte sie am Freitag in Washington gesagt. Nach Angaben von CNN arbeitete das Pentagon schon an Sicherheitsvorkehrungen, falls die 82-Jährige wirklich in Taiwan einen Zwischenstopp einlegen wollte.
Das Verhältnis zwischen Peking, Washington und Taipeh ist komplex. Chinas Führung betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der kommunistischen Volksrepublik und versucht mit allen Mitteln, es international zu isolieren. Die 23 Millionen Taiwaner sehen sich hingegen schon lange als unabhängig an. Der Konflikt geht auf den Bürgerkrieg in China zurück. Damals unterlag die nationalchinesische Kuomintang-Partei und flüchtete mit ihren Truppen nach Taiwan, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik gründeten. Bis heute droht Peking mit einer Eroberung Taiwans zur „Wiedervereinigung“.
Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet – was bislang vor allem Waffenlieferungen bedeutete. US-Präsident Joe Biden warnte China im Mai mit einer ungewöhnlich klaren militärischen Beistandszusage vor einem Angriff auf Taiwan. Die USA hätten eine „Verpflichtung“, Taiwan zu verteidigen, sagte Biden. China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben. In einem Gespräch mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Donnerstag betonte Biden, dass sich daran nichts geändert habe. Peking lehnt es generell ab, dass ausländische Politiker nach Taiwan reisen und verweist stets auf seine „Ein-China-Doktrin“. Demnach darf ein Land keine offiziellen Beziehungen zu der Inselrepublik unterhalten, wenn es ein normales Verhältnis zur Volksrepublik pflegen will. Tatsächlich haben die meisten Staaten keine Botschaft in Taiwan, auch die USA und Deutschland nicht.
Als zuletzt Nicola Beer (FDP), die Vizepräsidentin des EU-Parlaments nach Taiwan reiste, hatte das noch kaum Konsequenzen. Peking beließ es bei einer verbalen Warnung. Doch die mögliche Reise von Pelosi geht der chinesischen Führung zu weit. „Xi wird dies als persönlichen Affront bewerten“, sagt Heino Klinck, ehemals hoher Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums dem Magazin „Foreign Policy“. „Zusätzlich zu all den innenpolitischen Problemen, mit denen er bereits kämpft, sei es die Null-Covid-Strategie, die Hypothekenkrise oder die Tatsache, dass die Menschen auf die Straße gehen.“
Doch obwohl unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs die Angst vor einer Eroberung Taiwans durch China gewachsen ist, scheint es längst nicht ausgemacht, dass China tatsächlich einen Konflikt vor der eigenen Haustür riskieren würde. Nicht nur für Peking, auch für Deutschland stünde im Falle einer ausgewachsenen Taiwan-Krise viel auf dem Spiel. Die Abhängigkeit deutscher Unternehmen von China ist so groß, dass die Wirtschaft schwer getroffen würde. Sanktionen gegen Peking scheinen kaum realisierbar.