Energie: Spaniens strenger Sparplan

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München/Madrid – Spanien macht Ernst. Die Regierung in Madrid hat angesichts drohender Energieengpässe in Europa „dringende Maßnahmen“ beschlossen. Alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen dürfen künftig ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen. Zudem sollen unter anderem Beschäftigte mobil oder von zu Hause aus arbeiten, wenn sich so Energie sparen lässt. Bereits nach einer einwöchigen „Anpassungsperiode“ sollen die neuen Regeln gelten. „Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein“, betonte die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera. Europa brauche jetzt Spaniens Hilfe.

Dabei hatten die Spanier noch im Juli alles andere als begeistert auf den Plan der EU reagiert, dass jedes Mitglied 15 Prozent seines Gasverbrauchs einsparen solle. „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt“, sagte Ribera damals. Ein klarer Seitenhieb gegen das gasabhängige Berlin, der auch zeigt: Die deutschen Belehrungen aus Zeiten der Eurokrise sind nicht vergessen.

Doch in Madrid weiß man auch, dass die EU-Wirtschaftslokomotive Deutschland keinesfalls in die Rezession abgleiten darf. „Dies würde auch das übrige Europa, einschließlich Spanien, in eine schwere Krise stürzen“, schrieb gestern „La Vanguardia“. Deshalb wird nun doch gespart – die EU-Länder fanden eine Kompromisslösung.

Und was ist mit Deutschland? Bis jetzt konzentriert sich der Staat hierzulande mit so konkreten Verhaltensvorgaben wie in Spanien vor allem auf die eigenen Gebäude. So stellte gestern auch Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) einen Fünf-Punkte-Plan zur Senkung des Energieverbrauchs in der Staatsverwaltung vor. Danach sollen Büros in der kalten Jahreszeit nur noch auf das gesetzliche Mindestmaß erwärmt und im Sommer weniger gekühlt werden. Außenbeleuchtung oder Warmwasser sollen abgeschaltet und im großen Umfang Homeoffice möglich gemacht werden. „Wir können mit diesen Maßnamen bis zu 15 Prozent Energie einsparen“, sagte Bernreiter. Die konkrete Umsetzung obliege allerdings jedem Ressort selbst.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat – wie andere Berliner Ministerien – in seinem Haus ebenfalls den Energieverbrauch runtergefahren. Im Juni hat der Minister zudem schon einmal klargemacht, dass er Bürger und Unternehmen notfalls auch per Gesetz zum Energiesparen verpflichten würde. Und in einem Ende Juli vorgelegten Energiesicherheitspaket finden sich auch konkrete Maßnahmenvorschläge wie unter anderem ein Verbot, private Pools mit Gas zu beheizen, oder Heizanweisungen für öffentliche Gebäude. Doch wie genau der Verbrauch nun weiter gesenkt werden soll, werde „in den kommenden Wochen und nach der Sommerpause Schritt für Schritt in enger Abstimmung innerhalb der Bundesregierung umgesetzt“, teilt eine Sprecherin des Ministeriums mit.

In der Wirtschaft gibt es jetzt schon Bewegung. Dem „Handelsblatt“ zufolge plant man beim Chemiekonzern Bayer die Temperatur an den deutschen Standorten um mindestens ein Grad Celsius zu senken. Normal seien im Winter eigentlich 20 bis 22 Grad. Der Fahrzeughersteller Daimler Truck will mit Beginn der Heizperiode die Raumtemperatur in seinen Produktionshallen und Büros gar um zwei Grad herunterfahren. Doch eine Senkung auf 19 Grad – wie in Spanien – würde aktuell gegen die deutschen Arbeitsstättenverordnungen verstoßen. Dort sind 20 Grad vorgesehen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fordert deshalb Anpassungen im Gesetz. Die Bahn will ihre Mitarbeiter mit einem Einmalbonus von mindestens 100 Euro zum Energiesparen bewegen. Andere Unternehmen loten bereits aus, was ein stärkerer Einsatz von Homeoffice bringen könnte.

Wohl nicht zuletzt auch wegen der milden Temperaturen ist der deutsche Energieverbrauch im ersten Halbjahr immerhin schon einmal deutlich gesunken – um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, teilte die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen gestern mit. Und bereits jetzt war laut Habecks Ministerium der Gasverbrauch im Juni um 22 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum.

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