Schröder glaubt an Verhandlungslösung mit Putin

von Redaktion

Die Schuld an der gedrosselten Gas-Lieferung liegt für den Alt-Kanzler allein in Deutschland

München – Alt-Kanzler Gerhard Schröder hat bei seinem Moskau-Besuch in der vergangen Woche erneut den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. In einem Interview mit dem Magazin „Stern“ erklärte der SPD-Politiker dazu: „Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung.“ Es war das erste Interview Schröders seit Beginn des russischen Angriffskriegs, der auch ihn wieder ins Zentrum des politischen Interesses gerückt hat.

Die wirklich relevanten Probleme seien lösbar, darunter ein Kompromiss für die ostukrainische Region Donbass sowie die Frage einer möglichen „bewaffneten Neutralität“ für die Ukraine als Alternative zu einer Nato-Mitgliedschaft. Dass die 2014 von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der Ukraine zurückerobert werden könnte, hält der SPD-Politiker für „abwegig“: „Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), kritisierte Schröders Darstellung: Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe angekündigt, Moskau wolle einen Regierungswechsel in Kiew und die Ukraine von der Landkarte tilgen, sagte Strack-Zimmermann in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv . „Von daher höre ich mehr hin, was Herr Lawrow sagt, mit großer Ernsthaftigkeit, als was der ehemalige Bundeskanzler sagt.“

Schröder betonte in dem Interview erneut, er sehe keinen Grund, sich von seinem Freund Putin zu distanzieren: „Muss ich denn über jedes Stöckchen springen, das mir hingehalten wird? So bin ich nicht. Ich habe da Entscheidungen getroffen, und dazu stehe ich, und ich habe klargemacht: Vielleicht kann ich noch mal nützlich sein. Warum soll ich mich also entschuldigen“, fügte Schröder hinzu und verwies darauf, dass er aus Deutschland Zustimmung erfahre.

„Ich kriege auch viele Briefe aus Deutschland, in denen steht: Gut, dass es noch jemanden gibt, der Gesprächskanäle mit Russland im aktuellen Konflikt offenhält.“ Zugleich machte der Alt-Kanzler deutlich: „Ich halte diesen Krieg für einen Fehler der russischen Regierung.“

Bei Deutschland und Frankreich sieht er eine besondere Verantwortung, zu einer Beendigung des Krieges beizutragen. „Da geschieht derzeit nicht genug, ist mein Eindruck, denn eines ist doch klar: Es wird nicht ohne Gespräche gehen.“ Der Westen begehe einen schweren Fehler, indem er sich zu einseitig auf auf die USA stütze: „Die Europäer laufen Gefahr, ihre Eigenständigkeit preiszugeben, wenn sie sich allein auf Amerika verlassen.“

Bei der Frage der deutschen Gas-Versorgung zeigt sich der Vorsitzende des Nord Stream-Aktionärsausschusses ganz als Gazprom-Lobbyist. Es wäre die „einfachste Lösung“, die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen: „Sie ist fertig. Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte“, sagte Schröder.

Der Alt-Kanzler widersprach der Darstellung der Bundesregierung und von Siemens Energy, wonach die russische Seite schuld daran sei, dass nur 20 Prozent der üblichen Gas-Menge durch Nord Stream 1 fließen: „Das liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe.“ Siemens-Energy-Vorstandschef Christian Bruch widerspricht dem entschieden: Die Turbine, die von Moskau für die Reduzierung des Gas-Flusses verantwortlich gemacht werde, liege fertig repariert in Mülheim an der Ruhe (siehe Text links). Für deren Lieferung nach Russland fehle nur eine Anforderung durch Gazprom. „Technisch können wir es aus unserer Sicht nicht nachvollziehen“, dass der Gas-Fluss reduziert sei, so Bruch.

„Stern“-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sagte über sein Interview mit Schröder, der Alt-Kanzler setze darauf, dass sich die Haltung der Deutschen zum Ukraine-Krieg ändern werde, je mehr sie unter den Folgen des Gas-Mangels leiden – und dass dann Schröders Sicht der Dinge mehr Zustimmung finden werde. Auch hoffe er darauf, dass er noch als Vermittler zu Putin „nützlich“ werden könne. Schmitz betonte aber auch, dass offen sei, ob Putin Schröder wirklich ernst nehme oder nur als „seinen Angestellten“ sehe. KLAUS RIMPEL

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