Der geplatzte Katar-Deal

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Manche waren schockiert, andere fanden es tapfer: Als Wirtschaftsminister Robert Habeck im März nach Doha flog, Scheichs die Hand schüttelte, sich sogar vor dem Energieminister von Katar verneigte. „Man muss jetzt mit Partnern, die ihre Eigenheiten haben, sprechen“, sagte der Grünen-Politiker damals. Er habe keine andere Wahl, lautete die Botschaft. Und die Reise schien sich gelohnt zu haben: „Großartigerweise“ sei eine Energiepartnerschaft fest vereinbart worden, verkündete Habeck. Mehr noch: Katar sei sogar langfristig offen für erneuerbare Energien und mehr Klimaschutz. Jetzt, fast fünf Monate später, scheint dieser Deal längst vergessen.

Die Nachricht fällt ganz nebenbei, als sich Habeck vor einer Woche in Bayreuth einer wütenden Menge Demonstranten gestellt hatte. „Die Kataris haben sich entschieden, kein gutes Angebot zu machen“, soll der Wirtschaftsminister laut der „Bild“ auf seiner Sommertour gesagt haben. „Und die Unternehmen, mit denen ich damals da war, haben sich im Moment woanders Gas besorgt.“ Der groß angekündigte Katar-Deal ist demnach geplatzt. Wie lange Habeck das schon weiß, ist unklar.

Das Bundeswirtschaftministerium konnte auf Anfrage unserer Zeitung die Äußerung von Habeck weder kommentieren noch bestätigen. Nur so viel: Die Bundesregierung selbst schließe keine Verträge mit Lieferländern ab. „Die Unternehmen machen die Verträge, ob hier Verträge zustande gekommen sind und wie die Bedingungen dafür waren und sind, müssten Sie die Unternehmen fragen“, sagt eine Sprecherin. Eine Recherche von „Focus online“ ergab: Keines der großen deutschen Energie-Unternehmen wie EnBW, RWE, Vattenfall, E.On und Lex Uniper hat bislang einen Vertrag mit Lieferanten aus Katar geschlossen.

Die „Energiepartnerschaft“, die Habeck mit Katar abgeschlossen hatte, war also eher symbolischer Art: Weder Liefertermine noch konkrete Gasmengen wurden festgelegt. Im Gegensatz dazu hat Italien erst kürzlich einen milliardenschweren Deal mit Katar abgeschlossen. Der teilstaatliche Energieversorger Eni gab vor einem Monat einen Vertrag mit QatarEnergy bei einem großen Flüssiggas-Projekt bekannt. 27 Jahre wollen die beiden Staaten miteinander kooperieren.

Laut dem Wirtschaftsministerium sei die Bundesregierung mit mehreren Ländern im Austausch, die vorübergehend Gas oder Wasserstoff liefern könnten. „Dazu gehören Katar, aber auch zahlreiche andere Länder, wie etwa Norwegen, Kanada, die USA“, heißt es. Aktuell liegt der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher bei etwas mehr als 70 Prozent. Eine neue Verordnung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. September zu mindestens 75 Prozent gefüllt sein müssen. Am 1. Oktober sollen es 85 Prozent und am 1. November 95 Prozent sein.

Laut der „Bild“ befürchtet die Regierung einen Heizungsausfall in Millionen Haushalten im Winter, sollte das Gas knapp werden. Das sei aus einer inoffiziellen Schaltkonferenz zwischen Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und den Staatskanzleien der Länder hervorgegangen. Die Sorge sei demnach, dass der Druck in Gasnetzen absinkt, sobald es an Gas mangelt. Dadurch könnten Heizungen ausgehen – und Bürger müssten Handwerker zu Hilfe rufen, um sie wieder anzuschalten.

Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), warnt allerdings vor Panikmache: „Haushaltskunden sind geschützte Kunden“, sagt sie unserer Zeitung. Sie würden im Notfall als Erstes mit Gas versorgt. Andreae sieht eine größere Gefahr darin, dass sich nun zu viele Menschen aus Angst einen Heizlüfter zulegen. „Aufgrund ihres sehr hohen Strombedarfs führen solche Geräte nicht nur zu hohen Kosten, sondern können auch die Stromnetze überlasten“, sagt sie.

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