Warten auf das 365-Euro-Ticket

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Auf Seite 48 des bayerischen Koalitionsvertrags, den CSU und Freie Wähler vor vier Jahren geschlossen haben, findet sich ein interessanter Satz. „Für die großen Städte München, Nürnberg/Fürth/Erlangen, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg wollen wir auf Dauer ein 365-Euro-Jahresticket einführen.“ Nun ist nicht ganz klar, wie man die Formulierung „auf Dauer“ interpretieren soll. Auf jeden Fall dauert es länger. Aktuell deutet jedenfalls wenig bis nichts darauf hin, dass die Vereinbarung bis zur Landtagswahl im kommenden Herbst Realität wird.

Der Passus rückt jetzt wieder ins Blickfeld, da man bundesweit überlegt, wie eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket aussehen könnte. Die große Nachfrage zeigt: Bedarf wäre da. Bundesweit stiegen die Fahrgastzahlen im zweiten Quartal – natürlich auch durch die gelockerten Corona-Maßnahmen – um 48 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal. Doch die politische Gesamtlage deutet darauf hin, dass die Finanzierung schwierig werden dürfte. Finanzminister Christian Lindner (FDP), der die Schuldenbremse wieder einhalten will, wiederholt seit Wochen, es gebe kein Geld. Das 9-Euro-Ticket sei eine befristete Maßnahme, genau wie der Tankrabatt. Im Haushalt stünden deshalb keine Mittel zur Verfügung. Sein Parteifreund und Verkehrsminister Volker Wissing erklärte zuletzt immer, die Länder seien nun am Zug.

Dort gibt es inzwischen jedoch Bewegung: Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), verkündete, die Länder seien grundsätzlich bereit, „sich substanziell zu beteiligen“. Wissing (FDP) müsse dazu aber rasch ein Konzept vorlegen. Aus Bayern kommt umgehend Widerspruch: Zahlen müsse der Bund, sagt Verkehrsminister Christian Bernreiter, der auch gleich eine Fortsetzung des Tankrabatts verlangt. Der CSU-Minister fordert seit Wochen Investitionen, um den laufenden Betrieb zu stärken. Dem 9-Euro-Ticket stand er von Anfang an skeptisch gegenüber. Ihn treibt die Sorge um, dass der Bund sogenannte Regionalisierungsmittel nicht wie zugesagt zur Verfügung stellt – und damit das ÖPNV-Angebot gerade am Land nicht aufrecht erhalten werden könne.

„Grundsätzlich“, so sagt Bernreiter der dpa aber, „wäre auch ein 365-Euro-Ticket im Sinne der Verkehrswende wünschenswert“. Der Satz stößt vor allem der bayerischen Opposition auf. „Ich verstehe Herrn Bernreiter nicht“, sagt Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn. Das Ticket stehe schließlich im bayerischen Koalitionsvertrag. Generell hält von Brunn das 365-Euro-Ticket für eine gute Nachfolge-Regelung: „Das heißt 30 Euro im Monat. Wenn der Bund mitfinanziert, ist das sogar günstiger, als wenn es Bayern alleine macht.“

Auch von den Grünen kommt Kritik an Bernreiter. „Aufgabe des bayerischen CSU-Verkehrsministers ist es nicht, die Erfolgsgeschichte des 9-Euro-Tickets jetzt zu beenden, wo alle anderen Bundesländer gemeinsam mit dem Bund an einer Fortsetzung arbeiten“, sagt der bayerische Fraktionschef Ludwig Hartmann. „Die CSU sollte das Wohl der Menschen in Bayern im Blick haben und nicht aus Prinzip gute Ideen der Bundesregierung blockieren.“

Die Bundes-Grünen hatten sich bereits am Freitag klar für eine Nachfolgelösung ausgesprochen. Sie wollen Ländertickets für 29 Euro im Monat, was sich im Jahr auf 348 Euro belaufen würde. Anders als Lindner glauben die Grünen, dieses Modell sei finanzierbar. Wer unbedingt ein bundesweit gültiges Ticket kaufen wolle, solle ein Angebot über 49 Euro im Monat bekommen. Zugleich fordert die Partei vom Finanzminister eine Überarbeitung des Haushaltsplans für das kommende Jahr – es brauche nicht nur Geld für das billige Ticket, sondern auch Investitionen in den ÖPNV im ländlichen Raum. Ob das realistisch ist, bleibt offen: Von Lindner werden schließlich neue Entlastungspakete verlangt – auch von den Grünen.

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