Karl Lauterbach hat Recht. Jeder sollte möglichst vor dem Herbst wissen, ob die zuständigen Experten in seinem Fall eine vierte Impfung für richtig halten. Dass es auch nicht schadet, die oft etwas träge Ständige Impfkommission (Stiko) ein bisschen anzuschieben, hat die Vergangenheit gezeigt. Denn das Gremium wartete oft lange, um dann doch mit neuen Impf-Empfehlungen um die Ecke zu kommen. Und wenn sich die Profis schon nicht zu einer Entscheidung durchringen können, wie soll man es dann vom Durchschnittsbürger verlangen?
Doch obwohl er dieses Problem offensichtlich selbst erkennt, hat Lauterbach ein Gesetz vorgelegt, wonach sich (sollten die Länder es scharf stellen) Masken- oder Testpflicht nur mit einer frischen vierten Impfung umgehen lassen – Stiko-Empfehlung hin oder her. Das passt nicht zusammen – und reiht sich somit ein in vergangene Vorstöße des eigenwilligen Ministers. Weitere Beispiele: Mit seinen ersten Umsetzungsplänen für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht sorgte Lauterbach in Gesundheitsämtern und Pflegeheimen für ungläubige Blicke. Und die Krankenkassen ringen angesichts der Kurzsichtigkeit seiner Finanzreform noch immer um Fassung.
Dass Lauterbach nicht übermäßig von Selbstzweifeln geplagt ist, ist nicht neu. Nur waren mögliche Fehleinschätzungen als Talkshow-Experte noch weitgehend konsequenzlos. Weil das als Bundesminister anders ist, steht auch ihm ein riesiger Apparat an erfahrenen Beamten und Experten zur Verfügung, die wissen, worauf es bei einem guten Gesetz ankommt. Doch das alles nützt am Ende eben wenig, wenn der Chef nicht zuhört.
Sebastian.Horsch@ovb.net