Es ist ein Moment, an dem auch die selbstbewussten Deutschen in der Europäischen Union ein wenig Demut an den Tag legen sollten. Der EU-Notfallplan ist in Kraft, viele Mitgliedstaaten versuchen, auf freiwilliger Basis 15 Prozent ihres Gasverbrauchs zu reduzieren. Es ist – man muss das deutlich sagen – in erster Linie ein Akt der Solidarität mit Deutschland. Auch wenn das Motiv natürlich nicht reine Selbstlosigkeit sein dürfte: Eine handfeste Wirtschaftskrise im großen Deutschland würde auch viele kleinere Staaten in neue Bedrängnis bringen.
Und trotzdem ist der Vorgang bemerkenswert, schließlich hatte Berlin beispielsweise in der Finanzkrise sehr deutlich darauf gepocht, dass jedes Land für seine eigenen politischen Fehler die Konsequenzen trägt. Finanzminister Wolfgang Schäuble gab sich gegenüber Schuldenstaaten wie Griechenland („Isch over“) oder auch Spanien knallhart. Jetzt schalten die Spanier um 22 Uhr – also ihrer Essenszeit! – die Beleuchtung von Denkmälern und Schaufenstern aus, obwohl man sich früh von russischem Gas emanzipiert hatte. In Madrid, Barcelona oder auf Ibiza finden nicht alle so viel Solidarität gut.
Nicht vergessen: Es waren bewusste Entscheidungen früherer (unionsgeführter) Bundesregierungen, die unser Land in eine unverantwortliche Abhängigkeit von Wladimir Putin getrieben haben. Die jetzige Solidarität vieler Staaten dürfen wir uns deshalb merken, bis Deutschland das nächste Mal gebraucht wird. Und auch, dass sich Ungarn oder Polen dem gemeinsamen Ziel verweigern.
Mike.Schier@ovb.net