Die Freien Wähler testen mal wieder den Koalitionsfrieden. Während Bayerns CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek für klarere Bundesvorgaben (und somit auch weniger eigene Verantwortung) im Corona-Herbst kämpft, ist Hubert Aiwangers Mannschaft der Meinung, dass es keine neuen Maßnahmen braucht – und deshalb auch kein neues Bundesgesetz. Zumindest Letzteres ist eindeutig falsch. Ohne rechtliche Grundlage in den Herbst zu gehen, wäre aus Ländersicht blauäugig.
Doch was die Maßnahmen betrifft, dürfte auch die CSU vorsichtiger geworden sein als in den vergangenen Wintern. Ein Ministerpräsident, der einen Sommer lang von einem Bierzeltauftritt zum nächsten tingelt, kann schwerlich im Herbst wieder den Corona-Sheriff geben. Das gilt selbst für den wandelbaren Markus Söder – und umso mehr, wenn sich in der zweiten Septemberhälfte auch noch Millionen Gäste aus aller Welt auf der Münchner Wiesn nahekommen dürfen. Selbst wenn die Staatsregierung hier nicht der Veranstalter ist: Wer das aller Voraussicht nach stark inzidenzsteigernde Spektakel zumindest stillschweigend duldet, wirkt recht unglaubwürdig, wenn er am 4. Oktober direkt zur Maskenpflicht übergehen lässt. Und 2023 ist in Bayern Wahljahr.
Es ist eine schwierige Gratwanderung: So lange die Krankenhäuser im Herbst nicht wieder vor der Überlastung stehen, tut die Staatsregierung gut daran, mögliche Maßnahmen erst einmal zurückhaltend einzusetzen. Kommt es aber doch so, muss sie auch diesmal handeln – und sich unangenehme Fragen gefallen lassen.
Sebastian.Horsch@ovb.net