Düsseldorf – Zum akkurat frisierten Oberlippenbart trägt der Angeklagte einen dunklen Zweireiher-Anzug samt Einstecktuch. Im zivilen Leben ist er Verkaufsleiter einer US-Firma. Als Reserveoffizier der Bundeswehr bekleidet der 65-Jährige den Rang eines Oberstleutnants. Doch seit 2014 soll er den russischen Geheimdienst GRU als Spion mit Informationen versorgt haben. Deswegen sitzt der Mann nun wegen besonders schwerer geheimdienstlicher Agententätigkeit im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts auf der Anklagebank. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Laut Anklage der Bundesanwaltschaft hat der Mann aus Erkrath bei Düsseldorf Informationen zum deutschen Reservistenwesen und zur zivil-militärischen Zusammenarbeit in Krisensituationen verraten. Außerdem sei es um die Auswirkungen der 2014 verhängten Russland-Sanktionen und die inzwischen gestoppte Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 gegangen.
Die Dokumente und Informationen stammten laut Anklage teilweise aus öffentlichen, aber auch aus nichtöffentlichen Quellen. So soll der Angeklagte Passagen aus dem Weißbuch des Verteidigungsministeriums noch vor Veröffentlichung an die Russen weitergegeben haben. Mal soll es um Waffensysteme, mal um die Cyberfähigkeiten der Bundeswehr gegangen sein. Außerdem soll er den Russen private Kontaktdaten von hochrangigen Angehörigen der Bundeswehr und aus der Wirtschaft verschafft haben. Der umtriebige Erkrather saß auch im Außenwirtschaftsausschuss der IHK Düsseldorf und in einem Außenhandelsverband.
Seine Kontaktleute fungierten zwar offiziell als Attachés der russischen Botschaft, seien aber tatsächlich Mitarbeiter des Geheimdienstes gewesen. Überwiegend per E-Mail, aber auch bei persönlichen Treffen habe der Reserveoffizier die Informationen weitergegeben.
Der Prozess geht bis Dezember. FRANK CHRISTIANSEN