Wessen Krieg ist das?

Die Legende vom Wahnsinn des Einzelnen

von Redaktion

MARCUS MÄCKLER

Differenzierung ist wichtig, so lange sie nicht den Blick auf die Realität vernebelt. Der Kanzler lehnt ein Einreiseverbot für russische Touristen ab. Das kann er tun, nur die Begründung darf nicht unwidersprochen bleiben. Was in der Ukraine passiere, sei „Putins Krieg“, sagt er – also nicht der Krieg der Russen. Das ist eine oft wiederholte Legende, sie erzählt vom Wahnsinn eines Einzelnen und der Unterdrückung von vielen. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Die Vorstellung ist natürlich bequem, denn sie suggeriert, dass das Problem der russischen Aggression sich isolieren und mit dem Ende des Regimes beseitigen lässt. Doch Putin hat nicht nur einen fanatisierten Machtapparat hinter sich, sondern auch das Gros der Russen. Seine Zustimmungswerte wachsen seit Beginn der feindseiligen Handlungen Ende 2021 stetig an, im Juni sagten 83 Prozent der Bürger, sie seien mit dem Handeln ihres Präsidenten zufrieden. Die meisten von ihnen dürften allen Ernstes glauben, im Nachbarland werde der Faschismus bekämpft.

Eine Machtclique mag diesen Krieg begonnen haben – getragen wird er auch von einer Gesellschaft, die sich den himmelschreienden Lügen ihrer Machthaber fast wehrlos ergeben hat. Natürlich ist das die Frucht der harten Propaganda, aber die Scheuklappen legen sich die Russen auch selbst an. Nein Herr Scholz, das ist nicht nur Putins Krieg. So erschütternd das auch ist.

Marcus.Maeckler@ovb.net

Artikel 9 von 11