„Das alte Modell ist gescheitert“

von Redaktion

München/Berlin – Robert Habeck ist es ganz wichtig, noch einmal den großen Bogen zu spannen. Eigentlich soll er am Montagnachmittag etwas zur Gas-Umlage sagen, die viele Bürger in den kommenden Monaten verärgern wird. Aber der Wirtschaftsminister spricht lieber über Ursache und Wirkung. Deutschland habe in den letzten Jahren ein Geschäftsmodell entwickelt, das zu einem Großteil auf billigem russischen Gas basiere. Und von der Abhängigkeit eines Despoten, der Menschenrechte mit Füße trete. „Dieses Modell ist gescheitert. Und es kommt auch nicht wieder.“ In Windeseile müsse ein neues System geschaffen werden. „Damit müssen wir manchmal bittere Medizin zu uns nehmen.“

Eine bittere Medizin ist auch diese Umlage, die nun ab 1. Oktober auf die Gasverbraucher zukommt (Details auf Geld & Markt). Zum Kleingedruckten: Es sind 2,4 Cent netto, also ohne Umsatzsteuer. Bislang ist noch unklar, ob es die EU erlaubt, die Umlage von der Steuer auszunehmen. Alternativ gebe es die Möglichkeit, das eingenommene Geld über ein Entlastungspaket wieder zurückzugeben. „Es ist der erklärte Wille der Koalition, das hinzubekommen“, sagt Habeck.

Der Druck ist enorm. Von allen Seiten kommen Forderungen, die Bürger, aber auch Industriebetriebe jetzt nicht im Regen stehen zu lassen. „Die Bundesregierung ist gefordert, ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das die Menschen vor Energiearmut schützt“, sagt der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Die Stahlindustrie rechnet derweil mit Zusatzkosten in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich. Die Umlage vergrößere damit den bereits durch die extremen Preissteigerungen bestehenden Kostendruck, sagt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Auch er verlangt von der Regierung rasches Handeln.

Man ahnt, wie vielschichtig das Problem für die Politik ist. Trotzdem ist sich Habeck – in bester Merkel-Manier – sicher, die Umlage sei alternativlos gewesen. „Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen und damit des europäischen Marktes.“ Das stimmt natürlich nicht ganz: Denn die Alternative wäre gewesen, einfach alle Steuerzahler mit der Hilfe für die großen Gasimporteure zu betrauen. So wie bei anderen staatlichen Rettungsaktionen. Stattdessen zahlen nun allein die Gaskunden. Weshalb man auch an Habecks Darstellung zweifeln kann, dass die Umlage „die gerechtest mögliche Form“ sei.

Von der Opposition kommt Kritik. CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert: „In wenigen Tagen müssen nun 20 Millionen Gaskunden per Briefpost über eine Umlage informiert werden. Doch wegen der ungeklärten Frage, ob auf die Gasumlage Mehrwertsteuer gezahlt werden muss, steht die Höhe noch gar nicht fest.“ Das sei „Chaos mit Ansage“. Der CDU-Politiker ergänzte: „Mit diesem Vorgehen verspielt die Ampel-Regierung jedes Vertrauen.“ Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt findet: „Die Gasumlagebelastung ohne gleichzeitiges Entlastungsprogramm zu präsentieren, ist respektlos“. Bei Belastungen sei man schnell, bei der Frage des Ausgleichs weniger. „Es braucht jetzt dringend ein konkretes Entlastungspaket, sonst werden die Energiekosten für viele Familien zur Armutsfalle.“

Das weiß die Regierung natürlich auch. Aber noch immer bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten, wie eine Entlastung aussehen könnte. Die FDP pocht darauf, die kalte Progression aufzufangen – also die Höherbelastung der Steuerzahler durch die Inflation. Die Grünen lehnen das weiter ab. „Auch wenn alle die hohen Energiepreise zahlen müssen, werden es besonders Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sein, die dann vor erheblichen Schwierigkeiten stehen“, sagt die Vorsitzende Ricarda Lang. Da war es auffällig, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche erstaunlich klar hinter Lindner stellte. Das sei ein „guter Aufschlag“ des Ministers gewesen.  mik/dpa

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