Washington – US-Senator Marco Rubio greift für seine Kritik an US-Präsident Joe Biden auf seine Familiengeschichte zurück. Als Sohn kubanischer Einwanderer komme ihm „die Razzia von Joe Bidens FBI“ im Anwesen von Donald Trump allzu bekannt vor, hieß es in einer Werbemail Rubios. „Sobald diese radikalen Diktatoren die Macht übernommen haben, verfolgen sie erst ihre politischen Gegner. Als nächstes nehmen sie jeden ins Visier, der sich auf die Seite ihrer politischen Gegner stellt – bis sie jeden einsperren, der nicht mit ihnen übereinstimmt.“ Ein Klick auf den Button „Stoppt die Linke“ führt zur Spendenseite, die von einem Trump-Foto dominiert wird.
Trumps Anhänger versuchen, die FBI-Durchsuchung seines Anwesens Mar-a-Lago als Beleg für eine drohende linke Diktatur heranzuziehen. Dabei sind vor allem sie es, die die sozialen Spannungen immer weiter verschärfen. Spannungen, die längst zur Belastungsprobe für die Demokratie geworden sind. Spätestens seit dem Sturm auf das Kapitol durch Trump-Anhänger am 6. Januar 2021 ist deutlich, wie fragil diese Demokratie in den USA ist. Das Trump-Lager versucht nun, finanziellen und politischen Nutzen aus der FBI-Durchsuchung zu ziehen, auch wenn das die Gesellschaft weiter spaltet. Die Rhetorik der stramm rechten Anhänger des Ex-Präsidenten hat dabei eine neue Schärfe erreicht. Und womöglich bleibt es nicht bei Worten.
„Wir leben in einer Zeit, in der das FBI die Gestapo der Vereinigten Staaten geworden ist“, sagte der frühere Trump-Berater Sebastian Gorka. Der republikanische Kongressabgeordnete Paul Gosar verbreitete den Aufruf: „Wir müssen das FBI zerstören. Wir müssen Amerika retten.“
Zwar ist die Durchsuchung des Anwesens eines früheren US-Präsidenten beispiellos in der US-Geschichte. Der FBI-Einsatz folgte dabei aber den Buchstaben des Gesetzes, das auch für Ex-Präsidenten gilt. US-Justizminister Merrick Garland billigte die Entscheidung, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, den ein Gericht in Florida genehmigte. Grundlage ist nach dem veröffentlichten Beschluss unter anderem der Verdacht auf Verstoß gegen das Spionagegesetz. Offenbar fanden die FBI-Agenten in Mar-a-Lago mehrere Sätze streng geheimer Dokumente. Trump selbst beklagt hingegen, die Ermittler hätten ihm seine Reisepässe „gestohlen“. Das sei „ein Angriff auf einen politischen Gegner auf einer Ebene, wie es sie in unserem Land noch nie gegeben hat. Dritte Welt!“, empörte er sich gestern.
Der Sender CNN berichtete, seit dem Einsatz untersuche das FBI eine „nie dagewesene“ Anzahl an Drohungen gegen Mitarbeiter und Eigentum der Bundespolizei. Gemeinsam mit dem Heimatschutzministerium warne das FBI vor „gewaltsamen Bedrohungen“ gegen Bundespolizisten, Gerichte sowie Mitarbeiter und Einrichtungen der Bundesregierung. Am Donnerstag griff ein bewaffneter Mann das FBI-Büro in Cincinnati an, nach einer Verfolgungsjagd wurde er erschossen. Laut CNN war der Mann dem FBI im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Kapitol bekannt. Am Sonntag durchbrach ein Mann mit seinem Auto die Barrikaden vor dem Kapitol und feuerte in die Luft. Als sich Polizei näherte, erschoss er sich selbst.
Wie stark rechte Propaganda und Verschwörungstheorien verfangen, verdeutlicht eine Umfrage des Instituts PRRI vom Mai 2021: Unter den Anhängern der Republikaner stimmten 28 Prozent der Aussage zu, dass wahre amerikanische Patrioten womöglich zur Gewalt greifen müssten, um das Land zu retten, weil die Dinge so weit aus dem Ruder gelaufen seien. 23 Prozent glauben, dass die Regierung, die Medien und die Finanzwelt von einer Gruppe satanistischer Pädophiler kontrolliert werden, die einen globalen Kindersexhandel betreiben.
Trump selber ist Urheber der Verschwörungstheorie, die für die US-Demokratie die gefährlichste sein dürfte: Dass er die Wahl im November 2020 gegen Biden gar nicht verloren hätte. Trump-Kritiker nennen diese längst widerlegte Behauptung „The Big Lie“, die große Lüge. Anhänger von Trumps kruder Wahlsieg-These werden in den USA „Election Denier“ genannt, Wahlleugner. Bei den Republikanern gewinnt diese Gruppe immer mehr Einfluss. Besonders alarmierend: Bei den Vorwahlen haben die Republikaner bislang in vier Swing States Wahlleugner als Kandidaten für das Amt des Secretary of State nominiert. Diese sind in den Bundesstaaten die obersten Wahlaufseher.
Der Autor Dana Milbank verortet den Beginn der Radikalisierung der Republikaner schon lange vor Trump. Bereits Newt Gingrich, der 1994 Vorsitzender des Repräsentantenhauses wurde, habe seinen Kollegen empfohlen, „über Demokraten als Verräter, Lügner und Betrüger zu sprechen“.