Berlin – Im russisch besetzten Teil des Gebiets Saporischschja ist offiziell der Startschuss für ein Referendum zum Beitritt nach Russland gefallen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bereits gewarnt, dass von Besatzern organisierte Referenden ein Ende aller Chancen auf Friedensverhandlungen mit Russland bedeuten würden. In dem Gebiet gibt es mittlerweile auch vermehrt ukrainische Partisanen-Aktionen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat das Ziel einer kompletten Einnahme des Donbass bekräftigt. Die russische Armee erfülle in den „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ ihre Aufgaben, sagte er gestern. Beim Gebiet nahe dem ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja gab es erneut Granateneinschläge. 42 Länder und die EU veröffentlichten in Wien eine Erklärung, in der sie den sofortigen Abzug der russischen Truppen von dem Kraftwerk forderten
Die Bundesregierung hat sich erneut besorgt über Angriffe auf das Atomkraftwerk gezeigt. Diese Angriffe zeugten von einer „neuen Qualität in diesem Krieg“, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann gestern in Berlin. Die Lage rund um das AKW Saporischschja wird nach Angaben des örtlichen Bürgermeisters immer gefährlicher. Das Risiko einer atomaren Katastrophe im größten Kernkraftwerk Europas „wächst jeden Tag“, hatte der Bürgermeister von Enerhodar, wo sich das AKW befindet, der Nachrichtenagentur AFP gesagt. Die russische Armee beschieße „die Infrastruktur, die den sicheren Betrieb des Kraftwerks sicherstellt“, fügte Bürgermeister Dmytro Orlow hinzu. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Der Raketenbeschuss weckt Befürchtungen einer nuklearen Katastrophe.
Selenskyj begrüßte unterdessen Tschechiens Vorstoß zu einem Visa-Verbot für russische Bürger. Die Diskussion über einen entsprechenden Vorschlag werde „Tag für Tag intensiver“, sagte Selenskyj.
Tschechien will den EU-Mitgliedstaaten einen Reisebann für alle Russinnen und Russen vorschlagen. „Der pauschale Stopp russischer Visa durch alle EU-Mitgliedstaaten könnte eine weitere sehr wirksame Sanktion sein“, hatte der tschechische Außenminister Jan Lipavsky erklärt. Er werde den EU-Außenministerinnen und -ministern diesen Vorschlag bei einem informellen Treffen in Prag Ende August vorlegen.
Tschechien vergibt bereits seit dem ersten Tag nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine keine Visa mehr an russische Bürger. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zurückhaltend zu Vorschlägen zu einem Visa-Bann für russische Staatsbürger gezeigt. „Das ist Putins Krieg“, sagte er im Hinblick auf mögliche Einreiseverbote. Deshalb tue er sich mit diesem Gedanken „sehr schwer“. Ein genereller Visa-Bann würde sich auch gegen „ganz Unschuldige“ richten. afp/mm