München – Wenn es kalt wird, wird es dieses Jahr auch teuer – das gilt besonders für diejenigen, die mit Gas heizen. Denn zu den im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine nach oben geschossenen Preisen kommt für Gaskunden noch eine Umlage obendrauf. Damit will die Bundesregierung Unternehmen wie Uniper von hohen Einkaufspreisen entlasten.
Doch nicht alle Öl-, Gas- und Stromkonzerne darben – und schon gar nicht in all ihren Geschäftssparten. Für manche fallen derzeit gerade wegen der veränderten weltpolitischen Lage sogar besonders hohe Gewinne ab. Was die Frage aufwirft: Warum sollen die Bürger den einen Teil der Branche stützen, während der andere gute Geschäfte macht, ohne sich selbst an der Unterstützung zu beteiligen?
Genau hier setzt die Idee einer Übergewinnsteuer auf krisenbedingte Zusatzgewinne an, über die seit Wochen diskutiert wird – und die Länder wie Italien, Griechenland oder Rumänien bereits eingeführt haben. Sie könnte auch dem deutschen Staat hohe Summen bringen, befindet eine Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht.
Die Rechnung der Autoren Christoph Trautvetter und David Kern-Fehrenbach vom Netzwerk Steuergerechtigkeit ist allerdings recht einfach. Sie haben die Gewinne von sechs großen Mineralölkonzernen im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum analysiert – sowie die Preisanstiege bei Öl, Gas und Strom seit Beginn des Kriegs in der Ukraine. Diese Daten setzten sie jeweils in Bezug zum deutschen Verbrauch. Das Ergebnis: Aufs Jahr gerechnet ergebe sich ein krisenbedingter Übergewinn von 38 Milliarden Euro im Bereich Öl, von 25 Milliarden Euro im Bereich Gas und von 50 Milliarden Euro im Bereich Strom aus Atomkraft und erneuerbaren Energien.
Trautvetter und Kern-Fehrenbach berechneten dann die Staatseinnahmen durch verschieden hohe mögliche Steuersätze: Bei einem Steuersatz von 25 Prozent würden demnach 28,3 Milliarden Euro fließen, bei 50 Prozent wären es 56,5 Milliarden und bei 90 Prozent 101,7 Milliarden Euro. Als Mehrkosten für plötzliche und teure Gaseinkäufe haben Energieunternehmen hingegen nur etwa 34 Milliarden Euro angemeldet. Sie könnten dieser Rechnung zufolge also schon mit einer Übergewinnsteuer von 25 Prozent zu einem großen Teil aufgefangen werden – den wohl nicht ganz wahrscheinlichen Fall vorausgesetzt, alles ließe sich genau so umsetzen.
Auch rechtliche Bedenken, wie sie etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat, wiesen die Autoren zurück. Und das Problem, dass Unternehmen einen Großteil ihrer Gewinne in Steueroasen wie Singapur oder die Schweiz verschieben würden, ließe sich lösen, indem man die Steuer vom deutschen Anteil am Umsatz aus den Konzerngewinnen ableite.
Die Ökonomin Karen Pittel kritisierte hingegen, es sei „extrem schwierig“ zu bewerten, wer nun mehr besteuert werden solle. Das Unternehmen RWE – das von der Krise derzeit profitiere – gehöre zum Beispiel zu zwei Dritteln den Kommunen. „Nehme ich es den Kommunen weg und gebe es dem Bund?“, fragte Pittel bei „Markus Lanz“ im ZDF. Zudem sei nicht gesagt, dass Unternehmen, die in einem Quartal profitierten, dies im nächsten auch noch täten.
Auch innerhalb der Ampel gehen die Ansichten auseinander. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die Steuer. Auch die Parteichefs der SPD – Saskia Esken und Lars Klingbeil – sind dafür. FDP-Chef Lindner ist hingegen strikt dagegen. Er fürchtet, dass die Abgabe Investitionen hemmen und Deutschland als Standort unattraktiver machen könnte. Auch Olaf Scholz ist entgegen seiner SPD noch skeptisch, dass die Extra-Abgabe tatsächlich so leicht umzusetzen wäre, wie in der Rosa-Luxemburg-Studie dargestellt. Zudem stehe eine Übergewinnsteuer nicht im Koalitionsvertrag, sagte der Kanzler. mit afp