München/Berlin – Der Streit um Entlastungen für die Bürger angesichts explodierender Energiepreise wird zur Zerreißprobe für die Ampel-Koalition. Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck geht voll auf Konfrontationskurs zu FDP-Finanzminister Christian Lindner, der weiterhin gezielte Entlastungen für sozial Schwächere und Rentner ablehnt.
Habeck betonte demgegenüber, dass das kommende Entlastungspaket einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Geringverdienern legen müsse. Verschiedene Entlastungen hätten ihre jeweiligen Gründe, so auch der von Lindner vorgeschlagene steuerliche Ausgleich für die Inflation. Aber nicht alle Maßnahmen seien in der derzeitigen Lage gleichermaßen wichtig, sagte der Grünen-Politiker im ZDF-„Morgenmagazin“. Für ihn sei der stärkste Grund für Entlastungen, „dass wir den demokratischen Grundkonsens halten müssen, indem wir einen sozialen Ausgleich schaffen“, sagte Habeck. Die hohen Kosten für Gas kämen auf alle zu. „Und das heißt für mich, dass diejenigen, die weniger verdienen, stärker unterstützt werden als diejenigen, die viel verdienen.“
Unterstützung kam von der Opposition. Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Stracke (CSU), kritisierte Lindners Kurs: „Wenn der Bundesfinanzminister nun erneut alle Rentnerinnen und Rentner von Entlastungen ausschließen will, ist das sozial ungerecht und verschärft die Spaltung der Gesellschaft“, sagte er. Kanzler Olaf Scholz hatte ein neues Entlastungspaket für die kommenden Wochen in Aussicht gestellt. Wie es genau aussehe, werde „vertrauensvoll in der Regierung“ besprochen, sagte er vergangene Woche.
Finanzminister Lindner hatte wiederholt spezielle Hilfen für Rentnerinnen und Rentner abgelehnt und auf die in diesem Jahr erfolgte Rentenerhöhung verwiesen. Bedürftige Rentnerinnen und Rentner hätten wie alle in der Grundsicherung eine Sonderzahlung erhalten, zudem gebe es beim Wohngeld einen Heizkostenzuschuss. Auch profitierten Rentner von der Abschaffung der EEG-Umlage auf die Stromrechnung.
Fraktionschefin Katharina Dröge vom grünen Koalitionspartner widersprach in der „Rheinischen Post“: „Wir müssen sehr zielgenau diejenigen entlasten, die von den steigenden Preisen besonders getroffen werden und dem Winter mit großer Sorge entgegenblicken.“ Dazu gehöre auch, dass Studierende und Rentner mit kleinen Renten im Mittelpunkt stehen.
Auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) will sich dafür einsetzen, dass ein drittes Entlastungspaket vor allem auf ärmere Familien und untere Einkommen ausgelegt werde. Diese seien durch die Inflation stärker betroffen. „Dann ist jetzt nicht die Zeit, wieder von unten nach oben zu verteilen, sondern wir müssen tatsächlich von oben nach unten verteilen“, sagte sie. Zudem hat sie sich für ein Verbot von Strom- und Gassperren für Privathaushalte im Winter ausgesprochen: „Es kann nicht sein, dass jemand, weil er seine Rechnung nicht bezahlen kann, seine Wohnung verlassen muss.“ KLAUS RIMPEL