Scholz auf Schatzsuche in Kanada

von Redaktion

VON MICHAEL FISCHER

Montreal – Drei Stationen in drei Tagen – das ist der bisher längste Antrittsbesuch des Kanzlers in einem einzigen Land. Olaf Scholz (SPD) hat sich in etwa zwei Dutzend Ländern seit seiner Vereidigung im Dezember vorgestellt – für kein einziges davon betrieb er aber so viel Aufwand wie jetzt für Kanada. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck dient dabei als Verstärkung. Der Grünen-Politiker flog gestern mit Scholz nach Montreal, der ersten von drei Reisestationen. Begleitet wurden sie von einer großen Wirtschaftsdelegation, angeführt von Industriepräsident Siegfried Rußwurm. Zum Dutzend Spitzenmanager gehören auch die Chefs von Volkswagen, Bayer, Siemens Energy und Uniper.

Für den Aufwand gibt es viele Gründe, politische wie wirtschaftliche. Vor allem geht es bei der Reise aber um Wasserstoff. Gleich nach der Ankunft von Scholz und Habeck haben Deutschland und Kanada eine engere Zusammenarbeit im Energiesektor vereinbart. „Kanada wird für die Entwicklung des grünen Wasserstoffs eine ganz, ganz zentrale Rolle spielen, und deshalb sind wir sehr froh, dass wir auch bei dieser Gelegenheit unsere Kooperation in diesem Feld ausbauen können“, sagte Olaf Scholz.

Beim Thema Flüssiggas (LNG) bremste Kanadas Premier hingegen. Kanada hat zwar Flüssiggas – davon kann Deutschland aber erst mittelfristig profitieren, weil für den Transport noch Pipelines und Terminals fehlen. Trudeau sagte, man werde den Export von Flüssiggas über den Atlantik prüfen. Eine der Herausforderungen rund um LNG sei aber die Höhe der Investitionen in Infrastrukturen. „Wir prüfen jedoch alle anderen Möglichkeiten, um den Deutschen und Europäern kurzfristig zu helfen, da sie im kommenden Winter vor einer echten Herausforderung stehen“, so Trudeau.

Die Scholz-Reise ist ein bisschen wie eine Schatzsuche: Die deutsche Wirtschaft hat zuvor bereits ihr Interesse an kanadischen Mineralien und Metallen bekundet, auch an Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit, die für die Batterieproduktion wichtig sind. Scholz erklärte den Reiz, den Kanada für ihn ausmacht, nach seiner Ankunft so: „Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist.“ Der Kanzler hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Zusammenarbeit der Demokratien zu stärken, um im Wettbewerb mit Autokratien wie China und Russland bestehen zu können. Deswegen macht er seinen Antrittsbesuch in Kanada schon nach gut acht Monaten. Angela Merkel (CDU) ließ sieben Jahre verstreichen.

Scholz lobte auch die Zusammenarbeit mit Kanada im Streit um eine Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1. „Russland versucht natürlich, die Weltgemeinschaft zu spalten. Und auch diejenigen, die sich verbündet haben, um die Ukraine zu unterstützen.“ Deshalb sei es wichtig, dass Kanada geholfen habe, dass die überholte Turbine wieder zurückgeliefert werden könne. Für die Lieferung des nach russischer Darstellung essenziellen Aggregats hatte Ottawa seine eigenen Sanktionen gegen Russland umgangen und war innenpolitisch unter Druck geraten.

Heute geht es für Kanzler und Premier weiter in die Wirtschaftsmetropole Toronto und schließlich in das entlegene Stephenville, einen Ort im dünn besiedelten Neufundland. Von dort wollen die beiden auch etwas Zählbares mitnehmen: ein Abkommen über die Kooperation bei Herstellung und Transport von grünem Wasserstoff. Aber auch hier fehlen noch Transportmöglichkeiten. Terminals sollen in Kanada bis 2025 entstehen. Der Besuch des Duos Scholz/Habeck wird Deutschland kurzfristig also nicht durch die Energiekrise helfen. Es geht um eine langfristige Bindung.

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