„9-Euro-Ticket auf Dauer – völlig unrealistisch“

von Redaktion

Bayerns Verkehrsminister Bernreiter warnt vor einem schrumpfenden Angebot bei steigenden Energiepreisen

Noch eine Woche billig Bahnfahren – dann endet der Spaß. Oder der Spuk? Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) ist sehr skeptisch, was ein Nachfolge-Tarifmodell für das populäre 9-Euro-Ticket betrifft.

Haben Sie ein 9-Euro-Ticket für August gekauft?

Ich habe keines. Im August war ich anderweitig unterwegs, sogar ein paar Tage im Urlaub.

Ihre Bilanz: Ist das 9-Euro-Ticket ein Segen – oder ein Fluch in überfüllten Quetsch-Zügen?

Beides. Ich möchte nicht abstreiten, dass es eine Werbung für den Nahverkehr war. Aber genauere Analysen zeigen, dass das 9-Euro-Ticket viel Freizeitverkehr geschaffen hat, während trotzdem kaum jemand das Auto stehen lassen wollte. Im Gegenteil: Mir haben einige Pendler gerade im Großraum München erzählt, dass sie wegen der überfüllten S-Bahnen doch zurück aufs Auto umgestiegen sind.

Das heißt: Servus, 9-Euro-Ticket, das war’s?

Eine Fortsetzung im September wäre illusorisch. Und ich sage ganz klar: Wir haben andere Prioritäten in allen 16 Bundesländern. Wir brauchen zusätzlich zum Inflationsausgleich deutlich mehr Regionalisierungsmittel, etwa 1,5 Milliarden zusätzlich pro Jahr mehr, um das Angebot auszuweiten. Ein breites Angebot im ÖPNV ist mir wichtiger als ein Billigtarif. Nur wenn der Nahverkehr attraktiv und schnell ist, steigen die Leute um. Dazu brauchen wir dringend Geld.

Das ewige Lied: Forderungen an den Bund?

Laut Grundgesetz ist der Bund für die auskömmliche Finanzierung zuständig. Die Lage hat sich zusätzlich verschärft durch die steigenden Energiepreise. Bundesweit melden sich die Verkehrsunternehmen alarmiert bei uns Ministern, weil die Kosten für den Strom sich um den Faktor 15 verteuert haben. Auch die Diesel-Preise steigen stark. In manchen Regionen drohen Kündigungen von Verkehrsverträgen. Allein um den Status quo in Bayern zu halten, habe ich bei unserem Finanzminister für nächstes Jahr über 500 Millionen mehr beantragt. Da sind wir wieder bei den Tarifen: Ein Billig-Ticket entzieht dem ganzen Bahnsystem Geld und konterkariert das Angebot. Was hilft mir ein günstiges Ticket, wenn kein Zug mehr fährt?

Fällt da auch das 365-Euro-Ticket drunter?

Der Ministerpräsident hat sich dazu klar erklärt: Der Bund sollte das als Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger finanzieren. Das wäre wünschenswert, wenn das Angebot drunter nicht leidet.

Das Aus für das 9-Euro-Ticket – ist das Konsens unter den Ländern?

Ja, ich denke schon, über alle Parteien hinweg. Wir haben eine Sonderverkehrsministerkonferenz am Freitagvormittag durchgesetzt. Wir werden als Länder unsere Position gegenüber dem Bund absprechen, bevor dann die Bundesregierung in ihre Klausur geht. Klar ist: Der Bund kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen – die Länder können solche Sonder-Tickets nicht finanzieren. Das 9-Euro-Ticket kostet im Jahr mindestens zehn Milliarden Euro, für Bayern wäre das ein Anteil von 1,6 Milliarden Euro, ohne dass ein einziger Zug zusätzlich fährt. Das ist völlig unrealistisch.

Interview: C. Deutschländer

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