Alle gegen Habeck

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Die Stimme ist belegt, mehrmals muss die Sprecherin sich räuspern, doch der raue Hals ist in diesem Moment ihr geringeres Problem. Im Raum steht die Frage eines Journalisten, wann ein Unternehmen in den Genuss der geplanten Gasumlage kommt. Konkret: Muss es in akuter Not sein oder sichert die Umlage auch Gewinne ab? Die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, das zeigt ein Video vom Montag, tut sich mit der Antwort schwer. Nein, sagt sie schließlich, „eine drohende Insolvenz“ sei nicht Bedingung: „Wir sind der Meinung, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss.“

Für Unruhe im Land sorgt die Gasumlage bereits, seit die Pläne Ende Juli bekannt wurden. Mit einem Aufschlag von 2,41 Cent pro Kilowattstunde sollen Verbraucher ab Oktober belegt werden, um Gasversorger zu stützen, die wegen des Ausfalls russischer Lieferungen den Rohstoff nun zu sprunghaft gestiegenen Preisen anderswo einkaufen müssen. Für anderthalb Jahre soll die Regelung gelten, alle drei Monate kann die Höhe der Umlage dem Gaspreis angepasst werden. 90 Prozent seiner Mehrkosten darf ein Versorger geltend machen.

Doch seit diese Woche die Namen der Unternehmen publik wurden, die Ansprüche angemeldet haben, klingt die Kritik noch mal schriller. Denn unter den zwölf Energiekonzernen sind nicht nur die akut betroffenen Uniper und Sefe (früher Gazprom Germania), die den größten Teil erhalten dürften. Sondern auch Firmen wie die österreichische OMV oder das Schweizer Unternehmen Gunvor, die im ersten Halbjahr Milliardengewinne machten.

Dass die Opposition sich an der Gasumlage abarbeiten würde, war zu erwarten. Zunächst ging es um handwerkliche Aspekte, nun um die Frage der potenziellen Nutznießer. Die Linke spricht von „Enteignung“, die Union von „Irrweg“ und „Tohuwabohu“. Der CDU-Umweltpolitiker Thomas Heilmann empfiehlt der Regierung: „Zusammensetzen, neu machen.“

Bemerkenswerter ist, dass dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck der Gegenwind inzwischen auch aus der Koalition ins Gesicht bläst – sogar aus der eigenen Partei. Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend, moniert im „Spiegel“, die Regierung solle „das Wohl der Menschen und nicht das Recht auf Gewinne in den Mittelpunkt stellen“. Eine solche Unwucht könne man Leuten nicht erklären, „die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen sollen“. Überhaupt seien Habecks Umlagepläne „von Anfang an der falsche Weg“ gewesen.

Der offen geäußerte Unmut ist damit endgültig auch in der Ampel angekommen. Heinrichs Vorbehalte decken sich zumindest teilweise mit denen von SPD- und FDP-Vertretern. Die sozialdemokratische Parteichefin Saskia Esken betont in der „Rheinischen Post“, dass Firmen, „die in anderen Sparten mehr als gutes Geld verdienen“, sich schon selbst helfen müssten und das auch könnten. RWE oder Shell verzichteten von sich aus auf Ansprüche. „Minister Habeck“, fordert Esken nun kühl, „muss dafür sorgen, dass Leistungen aus der Gasumlage der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Konzerne gerecht werden.“

Auch FDP-Energieexperte Michael Kruse bemängelt, seine Partei wolle mit der Umlage „ausschließlich“ Unternehmen unterstützen, „die sich in einer marktgefährdenden Schieflage“ befänden. Habeck sei gut beraten, an dieser Stelle nachzuschärfen.

Selbst die Unterstützung, die Habeck von Klaus Müller erhält, klingt ein bisschen wie versteckte Kritik. Die Umlage sei „zielgenauer als ihr Ruf, auch wenn das so bisher nicht offen nachvollziehbar ist“, sagt der Chef der Bundesnetzagentur (und Parteifreund Habecks) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Reparaturbedarf sieht auch er. Er sei sich sicher, „dass mit künftigen Gesetzesnovellen für mehr Transparenz gesorgt werden kann“.

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