Die Mauer fiel, zurück blieben rosarote Wölkchen. Der Traum von der neuen Partnerschaft oder gar Freundschaft des Westens mit Russland hat die deutsche Politik stärker verzückt, als angebracht war. Nach dem Ende des Kalten Kriegs hat Berlin die Bundeswehr rostig gespart und das Projekt „Friedensdividende“ getauft; sie hat sich in der Energiepolitik einseitig auf russisches Gas verlassen und sich abhängig gemacht. Dazu passt, wie nun offenkundig wird, dass auch in der Spionageabwehr Blauäugigkeit über nationale Sicherheitsinteressen siegten.
Offenbar systematisch hat Russland Agenten nach Deutschland eingeschleust, von den deutschen Sicherheitsbehörden selten bemerkt. Eine liberale westliche Demokratie, die nicht in den Überwachungsstaat abgleiten will, kann nicht jede Infiltration verhindern. In der Summe muss Deutschland aber wehrhafter werden, seine Geheimnisse, Infrastruktur und Wirtschaft stärker schützen. Eine Million lax geprüfte Touristenvisa für Russen seit Kriegsbeginn stehen beispielhaft für das Versagen. Keine Woche länger darf das so weitergehen!
Die Risiken sind enorm, weit jenseits von banaler Schnüffelei für ein paar diplomatische Wichtigtuer-Depeschen nach Moskau oder sonstwohin. Russische Agenten und ihre Auftragstäter intrigieren, sabotieren in Deutschland. Und töten, siehe Tiergartenmord 2019. Noch viel größer sind die Gefahren digitaler Attacken. Ein Angriff, der Stromnetze oder Teile des Internets lahmlegt, würde Deutschland binnen Tagesfrist ins Chaos stürzen. Ob Verfassungsschutz und Cyber-Abwehr dem wirklich gewachsen sind, wissen nicht mal Regierungspolitiker. Das ist beunruhigend.
Christian.Deutschlaender@ovb.net