Wer dem BR auf die Finger schaut

von Redaktion

Die CSU, in den Reformdebatten sehr still, dominiert in Aufsichtsgremien – Rechnungshof prüft

München – Man hätte nicht gedacht, dass Massagesitze ein solches Erdbeben auslösen können. Aber die Skandälchen (Luxus-Sessel im 435-PS-Auto der Intendantin) und Skandale (Filz und Untreue) beim RBB in Berlin/Brandenburg bringen das ganze System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Zittern. Immer lauter wird dahinter eine Frage: Sind die Sender, oft behördenähnliche Kolosse, hinreichend kontrolliert? Wer schaut und haut den Institutionen auf die Finger, ohne sich in journalistische Unabhängigkeit einzumischen?

Vielerorts zeichnen sich da Defizite ab. Strukturell und personell, auch beim großen BR in München. Die Kontrolle des Senders obliegt zwei Gremien: dem 50-köpfigen Rundfunkrat, der den Programmauftrag kontrolliert und den Sender berät. Und den sieben Leuten im Verwaltungsrat, die die Geschäftsführung überwachen sollen. Gesetzt in dieser Runde sind als Chefin Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sowie die Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs, die übrigen fünf wählt der Rundfunkrat.

In der Praxis wird seit Jahrzehnten eine Dominanz der CSU im Rundfunkrat beklagt. Das Gremium soll die Breite der Politik und Verbände abbilden. Formal sitzen fünf CSU-Abgeordnete und ein CSU-Minister drin, über weitere Kommunalpolitiker und Verbandsvertreter wird die Zahl der Parteifreunde aber zweistellig. Verflechtungen sind offenkundig. Die Schwester des CSU-Fraktionschefs Thomas Kreuzer ist eine prominente Moderatorin. Der CSU-Abgeordnete Alex Dorow war zwei Jahrzehnte Reporter und Moderator des Senders, den er nun kontrollieren soll, und hat ein offizielles Rückkehrrecht in den Betrieb. Ihrer aller Parteichef Markus Söder wurde im BR zum Fernsehjournalisten ausgebildet und pflegt enge Freundschaften in die Spitze der Redaktion.

All das allein belegt kein Kontrolldefizit. Es gab auch 2017 einen kleinen Schritt, die Polit-Dominanz bei der Senderkontrolle zu senken. Den Grünen geht das aber nicht weit genug. Mit dieser Struktur sei effiziente Kontrolle nicht garantiert, heißt es dort. Ein anderer im Rundfunkrat sagt, Kritik gebe es zwar oft im Mikro-Management, also Maulen über einzelne Beiträge, aber zu wenig Reformdruck im Großen.

Zudem lauert der Interessenskonflikt auch andersrum: Die FDP schickt mit Helmut Markwort einen Abgeordneten in den Rundfunkrat, der an Privatsendern – der härtesten BR-Konkurrenz – beteiligt ist. Während die CSU sich in allen Reformdebatten bei Öffentlich-Rechtlichen auffällig zurückhält, ist Markwort einer der schärfsten Kritiker auch der BR-Finanzen: „Oben ist man wahnsinnig großzügig, und unten wird geknapst und gespart.“

Einen heiklen Punkt haben alle Aufseher gemein: Der Sender, den sie kontrollieren, bezahlt sie dafür. 8400 Euro pro Jahr für jeden Rundfunkrat, plus 100 Euro pro Sitzung; 17 500 pro Jahr bei weiteren Aufgaben wie bei Kreuzer; bei Aigner summiert sich die BR-Aufsicht sogar auf 36 000 Euro. Die Zahlen sind transparent veröffentlicht, liegen auf dem Niveau, das Medienräte für die Privatsender bekommen, die Aufsicht ist auch mit Arbeit verbunden; ist aber wegen der hohen Entlohnung sehr beliebt.

Die schärfere Kontrolle als von den Gremien kommt von außen – der Oberste Rechnungshof, penibel, überparteilich, weisungsungebunden. Alle paar Jahre legt der ORH einen rund 100-seitigen Bericht zur BR-Finanzlage vor, 2016 und 2018 mit scharfer Kritik, der Sender müsse „seine Strukturen weiter nachhaltig verschlanken“. Der nächste ORH-Bericht ist übrigens schon fast fertig, er wird im Herbst vorgelegt.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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