Moskau/Kiew – Die angespannte Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja nach Beschuss und einem Notstopp hat bisher nicht zu erhöhten Strahlungswerten geführt. Die Strahlensituation sei normal, hieß es am Sonntag aus Moskau und Kiew. Das von russischen Truppen besetzte Kraftwerk steht seit Kriegsbeginn im Fokus, zuletzt wuchsen die Sorgen vor einer Atomkatastrophe stetig.
Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig immer wieder einen Beschuss des AKW vor. Russland teilte am Sonntag mit, es habe in den vergangenen 24 Stunden zwei Artillerieangriffe gegeben. Eine Granate sei in der Nähe von Block 6 eingeschlagen, andere an einer Pumpstation, die für die Kühlung sorge. Diese Angaben ließen sich nicht überprüfen. Nachdem das AKW am Donnerstag nach einer Notabschaltung zeitweilig vom ukrainischen Stromnetz getrennt war, sind zwei Blöcke laut Energoatom inzwischen wieder am Netz.
Außenministerin Annalena Baerbock sagte der Ukraine derweil – wenn nötig – jahrelange Unterstützung im Krieg gegen Russland zu. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht“, sagte die Grünen-Politikerin der „Bild am Sonntag“. Sie betonte erneut, dass in der Ukraine auch „unsere Freiheit, unsere Friedensordnung“ verteidigt werde. „Und wir unterstützen sie finanziell und militärisch – und zwar so lange es nötig ist. Punkt.“ Baerbock erwartet, dass der Krieg „noch Jahre dauern könnte“. Russlands Präsident Putin habe eine „Wahnvorstellung“ gehabt, die Ukraine binnen kürzester Zeit einzunehmen.
Die Kämpfe im Osten und Süden der Ukraine gingen ohne große Gebietszugewinne weiter – auch in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja. Russische Truppen haben von einem ukrainischen Angriff mit einer bewaffneten Drohne auf das besetzte Kraftwerk berichtet. Die Sprengstoffladung sei detoniert, ohne Schaden anzurichten.
Russland steuert weiter auf einen Anschluss der besetzten Gebiete mithilfe von Volksabstimmungen zu. Der ranghohe Kreml-Beamte Sergej Kirijenko stellte am Sonntag eine Zahl in den Raum, wonach in den prorussischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk 91 bis 92 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt zu Russland seien. In den seit Februar eroberten Gebieten Cherson und Saporischschja seien es 75 bis 77 Prozent.
Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben an mehreren Stellen im Osten des Landes russische Sturmangriffe abgewehrt. Zudem sei das Gebiet Riwne im Norden am Sonntagabend von Russland mit Raketen angegriffen worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hob derweil die Rolle der Luftwaffe hervor. „Russland hatte gehofft, unsere Luftwaffe in den ersten Stunden der großen Invasion zu zerstören. Und natürlich war das für den Feind ein völlig verrücktes Ziel – wie viele andere auch“, sagte Selenskyj in einer am Samstag verbreiteten Videobotschaft. dpa