VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Die Debatte ums 9-Euro-Ticket steht exemplarisch für viele Unsitten der deutschen Politik. Es ging los mit der kollektiven Jammer-Orgie über das an sich wegweisende Simpel-Ticket: „Züge voll“, „mehr Verkehr“, „Mitarbeiter überlastet“, „ländlicher Raum abgehängt“. Es folgten dann in den drei Monaten, während die Bevölkerung das Ticket begeistert annahm, allerlei mittelhalbgare Analysen, wie schlecht alles funktioniere. Und jetzt, wo das Tarifmodell plangemäß ausläuft, wollen es alle verlängern, sogar Gewerkschafter, die im Sommer noch maulten. Nun beginnt in der Politik das beliebte Spiel, reihum neue Tarife vorzuschlagen, fest verknüpft mit der Forderung an die jeweils andere Ebene, das dann zu bezahlen.
Das ist schon recht mühsam so. Zumal ja fast alle Bedenken und alle Einwände irgendwo einen wahren Kern haben. Natürlich ist auf Dauer mit neun Euro kein flächendeckender Nahverkehr zu bezahlen. Natürlich sind Billig-Tickets für die Großstadt ein Segen, während am Dorf der Bus nur zweimal täglich fährt und der Preis da nachrangig ist. Und natürlich muss es auch politisch fair zugehen: Falls nur das Pleite-Loch Berlin das Ticket lokal fortsetzt dank endlos fließender Länderfinanzausgleichs-Milliarden aus Bayern, ist das auch schräg.
Und trotzdem: Es sollte ein Nachfolgemodell geben. Das 9-Euro-Ticket hat herausstechende Vorteile. Es ist für jeden verständlich eine spürbare Entlastung der Bürger. Und: Es ist bezaubernd simpel, durchbricht jedes Tarifwirrwarr. Ob 9, 69, 365 Euro, ob 1095 Euro wie das österreichische Klimajahresticket – Bund und Länder sollten auf Mecker, Maunz und Machtspielchen verzichten und sich auf eine flächendeckende Fortentwicklung einigen.
Christian.Deutschlaender@ovb.net