Krisensitzung auf Schloss Meseberg

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Vor knapp drei Jahren stellte der Bund der Steuerzahler die Sinnfrage. In seinem „Schwarzbuch“ tauchte damals das Schloss Meseberg bei Berlin auf, Fazit: Wenig genutzt, verschlinge der Barockbau jährlich fünf Millionen Euro Steuergeld für Bewirtschaftung, Unterhalt, Personal. Die FDP forderte sogar eine Erklärung der GroKo. Es frage sich, ob der Bund das Schloss weiterbetreiben solle.

Inzwischen sitzen die Liberalen selbst in der Regierung und sind womöglich ganz froh, dass Meseberg unangetastet blieb. Denn die Ampel kann einen Rückzugsort wie diesen gerade gut brauchen. Ab heute treffen sich Kanzler Olaf Scholz und seine Minister dort zur anderthalbtägigen Klausur. Inhaltlich gibt es einiges zu besprechen. Das Treffen dürfte aber auch dazu dienen, die jüngsten Misstöne aus dem Weg zu räumen.

Die Stimmung in der Koalition war, vorsichtig gesagt, schon besser: Vor allem die Gas-Umlage – umstritten, weil auch Unternehmen profitieren, die es nicht nötig haben – hat den Partnern einen handfesten Streit beschert. SPD-Chef Lars Klingbeil warf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) „handwerkliche Fehler“ vor. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese stichelte in der „BamS“ gegen das „System Habeck“: „Auftritte filmreif, handwerkliche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf.“

Schärfer hätte das die Opposition auch nicht formulieren können – die Antwort der Grünen fiel entsprechend aus. Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz nahm sich Scholz selbst vor. „Die schlechte Performance des Bundeskanzlers, seine miesen Umfragewerte, Erinnerungslücken bei Warburg und seine Verantwortung bei Nordstream 2“ würden durch „unloyales Verhalten und Missgunst“ in der Koalition nicht geheilt, twitterte er am Montag. Parteichef Omid Nopuripour warf den Sozialdemokraten „schlechte Gewohnheiten“ nach zwölf GroKo-Jahren vor.

Konflikte zwischen den ungleichen Ampel-Partnern waren zwar von Anfang an eingepreist. Dass sich aber selbst die Wunschpartner SPD und Grüne derart beharken, ist erstaunlich. Überhaupt treten die Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP – im Koalitionsvertrag noch kunstvoll unter viel Wohlfühl-Rhetorik vergraben – zusehends in den Vordergrund.

Eine kleine Auswahl: Da wäre der Streit um die Höhe des neuen Bürgergeldes von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, mit dem die FDP hadert; Christian Lindners Konzept zur Abmilderung der kalten Progression, den SPD-Linke und Grüne kritisieren; der Vorwurf beider an die Liberalen, sie würden in der Klimapolitik blockieren; der Zwist um eine mögliche Verlängerung der AKW-Laufzeiten; oder auch das Gezerre um Sinn und Unsinn einer Übergewinnsteuer, mit der Krisen-Gewinnler zur Kasse gebeten werden könnten.

Die heutige Klausur, in diesem Jahr übrigens schon die zweite nach dem Treffen im Mai, soll Ruhe bringen. Aber kann das gelingen? Kanzler Scholz jedenfalls ist bemüht, den Eindruck wachsender Spannungen zu zerstreuen. „Wir arbeiten sehr eng und sehr gut zusammen, gerade auch was die Entscheidungen betrifft, die jetzt unmittelbar bevorstehen“, sagte er gestern in Prag. In Meseberg werde es besonders um die Sicherheit der Gas-Versorgung und um weitere Entlastungen für die Bürger gehen.

Die Sozialdemokraten haben schon ganz konkrete Vorstellungen, wie das aussehen könnte. Im Raum stehen offenbar Direktzahlungen, eine schnelle Wohngeldreform und ein bundesweites 49-Euro-Ticket für Bus und Bahn. Finanziert werden soll das aber durch Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer, die die FDP ablehnt.

Der Raum für Einigung ist also überschaubar. Auch bei der Gas-Umlage gibt es wohl keine schnelle Lösung. Das Habeck-Ministerium betont zwar, „mit Hochdruck“ an einer Lösung zu arbeiten, nennt aber keinen Zeitplan – die FDP will am liebsten heute schon Ergebnisse sehen. Auch SPD-Chef Klingbeil dringt auf schnelle Korrekturen am Gesetzesentwurf. Immerhin: Nach der Attacke vom Wochenende bemüht er sich um einen sanfteren Ton. Fehler könnten passieren, sagte er gestern. Jetzt müsse man gemeinsam gegensteuern. Vielleicht hilft ja der barocke Charme von Meseberg.

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