Lubmin/München – Vor einem Jahr hat der „Spiegel“ mal eine große Geschichte über Manuela Schwesig geschrieben, und die Überschrift hatte es in sich. „Frau Söder aus Schwerin“ stand da. War das ein Kompliment? Beschrieben wurde sie als Ministerpräsidentin, die sich durchsetzen kann, detailversessen ist, überdurchschnittlich bekannt ist, der aber „die Herzen nicht zufliegen“, obwohl sie ausdauernd durch die Talkshows toure.
Am Dienstagmittag steht „Frau Söder“, die unechte, nun neben Herrn Söder, dem echten. Sie haben sich in Lubmin verabredet, in ihrem Land Mecklenburg-Vorpommern. „Moin“, sagt sie knapp, und ansonsten siezen sich die beiden. Viel Vertrautheit ist da nicht zu erkennen. Aber inhaltlich finden die Rote aus dem Nordosten und der Schwarze aus dem Süden tatsächlich langsam zusammen.
Söder ist angereist, weil er um Energie bitten muss. Im vorpommerschen Lubmin treffen Gas-Pipelines zusammen. Es gibt eine direkte Leitung über Tschechien in den Süden, „die Pipeline führt direkt nach Bayern zu Herrn Söder“, sagt Schwesig. Der Plan: Wenn der Norden umschwenkt vom künstlich verknappten Russengas auf in Schiffen herangekarrtes Flüssiggas und später auf Wasserstoff, soll davon möglichst viel konstant in den Süden gepumpt werden. „Ersatzgas“ nennt Söder das, „wir sind energiehungrig“.
Tatsächlich einigen sich die beiden auf einen ungewöhnlichen Plan. Söder will Juristen in den Norden schicken. Die Experten aus Bayern, bundesweit in gutem Ruf stehend, sollen die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bei den komplexen Genehmigungsverfahren für Flüssiggas-Terminals unterstützen.
Die Größenordnungen sind noch nicht ganz klar. Ein privatwirtschaftliches Konsortium plant, bereits Anfang Dezember mit einem schwimmenden Terminal LNG in Lubmin anzulanden, vielleicht dem ersten in ganz Deutschland. Nach Plänen der Bundesregierung soll hier später ein zweites Terminal in Betrieb gehen. Schwesig spricht von Dimensionen, um auf längere Sicht alle Bundesländer mit Gas zu versorgen, bis überall genügend erneuerbare Energie bereitsteht. „MV hilft gerne“, sagt sie über Mecklenburg-Vorpommern. Söder sagt dazu pragmatisch: „Wir müssen alles nutzen, was geht.“
Was Schwesig später als „interessante gemeinsame Stunden“ mit dem Kollegen beschreibt, ist freilich auch eine Notlösung über Parteigrenzen hinweg. Die rote Regentin aus dem Nordosten war mit Söder bisher wahrlich nicht eng verbunden. In der Corona-Krise rummsten beide heftig aneinander, aus dem Nordosten wurde Söder in einer seiner Lockerungsphasen vorgeworfen, er mache „Politik auf Kosten von Alten und Kranken“. Schwesig wiederum kommt mit dem Flüssiggas-Deal ein Stück aus der Ecke der Putin-Vertrauten heraus. Sie war eine energische Befürworterin der Pipeline Nord Stream 2, ließ sich Projekte aus Moskau kofinanzieren, stand am Rande des Rücktritts. Nun sagt sie an Söders Seite in die Kameras, Gas sei nur eine Brücke in die Zeit der Erneuerbaren. „Russland ist kein verlässlicher Partner mehr.“
Söder knüpft nun auf Länder-Ebene weiter an einem Energie-Netzwerk, am Montag war er ja bei Winfried Kretschmann im Südwesten. Demnächst ist ein Treffen mit Hessen geplant. cd