Rottach-Egern – In Oberbayern war Michail Gorbatschow nach dem Tod seiner geliebten Frau Raissa 1999 nicht nur ein gern gesehener Gast, der Tegernsee wurde für ihn geradezu eine zweite Heimat. 2008 hatte seine Tochter Irina das stattliche Hubertus Schlössl mit 17 Zimmern in Rottach-Egern gekauft, in das er sich gerne zurückzog.
Warum gerade der Tegernsee? Die Antwort hat Franz Josef Maier, Inhaber des Hotels Maier zum Kirschner in der Rottacher Seestraße, von Gorbatschow persönlich bekommen. „Er sagte, dass seine Heimat, der Kaukasus, ganz ähnlich dem Tegernsee sei“, berichtete Maier unserer Zeitung. „Er meinte auch, dass er da nicht mehr hinkönne, weil man ihm nach dem Leben trachte.“ In Maiers Hotel und Gaststube kehrte Gorbatschow 2001 das erste Mal ein mit der Tochter, deren Lebensgefährten und einem Personenschützer. Völlig unprätentiös spazierte er dann viele Jahre immer wieder herein – stets tauchte er am Todestag seiner Frau am 20. September mit seiner Tochter und Enkeln auf, „ohne großes Trara kam er zu mir in die offene Küche und fragte, ob es Fischsuppe gebe, sein Leibgericht.“
Wie unkompliziert und herzlich der Umgang mit Michail Gorbatschow war, kann auch der Bauingenieur Michi Huber aus Gmund bezeugen. Er war 2008 mit der Umgestaltung des Hubertus Schlössls beauftragt worden. Dazu wurde er eigens für eine Woche nach Moskau eingeladen, um zu sehen, „wie die Familie so lebt und welche Ansprüche sie hat“. Der Kontakt zu „Gorbi“ wurde so persönlich, dass Huber den Friedensnobelpreisträger zum Weißwurst-Essen bei seiner Schwester einlud.
Man konnte den früheren Staatspräsidenten der Sowjetunion auch einfach beim Flanieren am Tegernsee sehen. Daran erinnert sich Rottach-Egerns Bürgermeister Christian Köck: „Einige Male habe ich ihn beim Spazierengehen in Rottach-Egern getroffen, weil er zeitweise in unmittelbarer Nähe von meinem Elternhaus gewohnt hat. Er grüßte stets freundlich und wird mir persönlich in guter Erinnerung bleiben.“
An vielen Orten Oberbayerns denkt man mit Dankbarkeit und großer Sympathie an den außergewöhnlichen Staatsmann. Es gab zahlreiche Gelegenheiten, bei denen er den direkten Kontakt zu den Menschen suchte. Ob an der Wieskirche in Steingaden (Landkreis Weilheim-Schongau), die er im März 1992 mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl besuchte, beim traditionellen Fischessen der CSU im Münchner Hofbräuhaus im selben Jahr oder beim Abstecher an den Chiemsee 2004, wo er die Fraueninsel besichtigte. Im Juli 2005 war er eigens zur Beisetzung von Peter Boenisch, dem früheren „Bild“-Chefredakteur und Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl, nach Gmund gereist. An den Tegernsee, seine zweite Heimat. gr/cm