„Egal, was meine Wähler denken“

von Redaktion

Wirbel um Baerbock-Äußerung – Außenamt spricht von prorussischer Desinformation

München/Berlin – Das Video, das unter anderem auch von AfD-Chefin Alice Weidel in den sozialen Medien verbreitet wird, stammt aus Telegram-Kanälen, die Namen wie „RussiaUSA“ tragen. Es zeigt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Auftritt in Prag und ist aus mehreren Szenen neu zusammengeschnitten. Darüber taucht – oft auch in englischer Sprache – in Abwandlungen immer wieder sinngemäß folgender Satz auf: „Die deutsche Außenministerin verspricht, dass die Ukraine an erster Stelle komme, ,egal, was deutsche Wähler denken‘, oder wie hart ihr Leben wird.“

Unstrittig ist: Zumindest so hat Baerbock das nie gesagt. Für das Auswärtige Amt ist deshalb klar, dass hier eine Kampagne gegen die Ministerin läuft. „Der Klassiker: Sinnentstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von prorussischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange“, kommentiert der Beauftragte für strategische Kommunikation, Peter Ptassek.

Doch auch wenn Baerbocks Sätze nicht so gefallen sind, wie in den Video-Posts suggeriert, sorgen ihre tatsächlichen Worte ebenfalls für Diskussionen. Denn unbestritten hat die Ministerin in Prag erklärt, dass sie den Ukrainern versprochen habe, sie so lange wie nötig zu unterstützen. Und dass sie deshalb auch liefern wolle – unabhängig davon, was ihre deutschen Wähler darüber denken („no matter what my German voters think“). Im Rahmen der Prager Diskussion hatte Baerbock allerdings auch vor einer Spaltung der westlichen Demokratien gewarnt. In diesem Zusammenhang versicherte sie, sie stehe ebenso in Solidarität zu den Menschen in Deutschland wie zu den Menschen in der Ukraine. Sie sprach auch von der Notwendigkeit von Entlastungen angesichts hoher Energiepreise.

AfD-Politikerin Weidel nahm die Aussagen zum Anlass, Baerbocks Rücktritt zu fordern. „Wer ausdrücklich auf die Interessen der Wähler in Deutschland pfeift, hat in einem Ministeramt nichts mehr verloren“, schrieb Weidel bei Twitter. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von der Linken kritisiert an gleicher Stelle, eine Außenministerin, die nach dem Motto „Ukraine first, Bürger egal“ handle, sei ein „Totalausfall“. Und Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht schrieb: „Eine Außenministerin, die erklärtermaßen nicht die Interessen der deutschen Wähler sondern der Ukraine vertritt und im Interesse der US-Regierung Verhandlungen zur Kriegsbeendigung ablehnt, ist nicht nur eine eklatante Fehlbesetzung, sondern eine Gefahr für unser Land.“

Doch auch aus der Union kam Kritik. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter von „Schein-Heroismus“, weil die Mehrheit der Deutschen zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. „Demokratische Politiker müssen versuchen, die anderen mit guten Argumenten zu überzeugen und nicht mit Basta.“

Ein Regierungssprecher teilte am Freitag mit, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei „ganz eng an der Seite der Außenministerin“.  hor

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