Münster – Eine Woche nach dem tödlichen Angriff auf einen jungen Mann am Rande einer Feier zum Christopher Street Day in Münster ist gegen einen Tatverdächtigen Haftbefehl erlassen worden. Ein Richter ordnete am Samstag Untersuchungshaft für den 20-Jährigen an, der am Vortag festgenommen worden war. Der wegen Körperverletzung vorbestrafte Mann schweigt bisher.
Dem 20-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung mit Todesfolge vor. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ soll es sich um einen abgelehnten russischen Asylbewerber handeln. Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Sonntag auf Anfrage eine Verurteilung sowie mehrere Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten, die gegen Auflagen nach Jugendstrafrecht eingestellt wurden. Zur Staatsangehörigkeit des Beschuldigten machte die Behörde bewusst keine Angaben, weil kein Zusammenhang zu sehen sei zwischen der Nationalität und der Tat. Auch mehrere Medien, darunter die Deutsche Presse-Agentur, nennen sie nicht. Unsere Zeitung hat sich anders entschieden.
Bisher ist der Tatverlauf vom 27. August nicht vollständig klar. Der Täter soll beim CSD mehrere Frauen unter anderem mit den Worten „lesbische Hure“ beschimpft und bedroht haben. Als sich ein 25-jähriger Transmann vor die Frauen stellte, schlug ihn der Täter nieder. Das Opfer stürzte, prallte mit dem Kopf auf dem Asphalt auf und starb nach künstlichem Koma am Freitag im Krankenhaus. Seine Leiche sollte am Montag obduziert werden.
Die Ermittler fanden bei der Auswertung von Zeugenhinweisen sowie von Bild- und Videomaterial Bilder des mutmaßlichen Täters, wie die Polizei mitteilte. Eine Ermittlerin erkannte den 20-Jährigen am Freitagnachmittag am Münsteraner Hauptbahnhof und nahm ihn fest. In Medien wird sein Name als „Nuradi A.“ abgekürzt. Laut „Bild“ ist er ein ehemaliger Box-Jugendmeister. Später soll er als Lagerarbeiter angestellt gewesen und immer wieder auch wegen Gewalt und Drogendelikten mit der Justiz in Konflikt gekommen sein. Weil wegen des Kriegs ein Abschiebungsverbot nach Russland gelte, sei er nicht abgeschoben worden. Ermittelt wird auch gegen einen unbekannten Begleiter, der nach der Tat mit dem 20-Jährigen geflohen sein soll.
Am historischen Rathaus in der Innenstadt von Münster trauerten am Wochenende viele Menschen um das junge Opfer. Sie legten Blumen nieder. Kerzen brannten. „In Gedenken an Malte C. – dein Mut wird für immer unvergessen sein“ oder „Gerechtigkeit für Malte“ steht auf kleinen Tafeln.
Die Staatsanwaltschaft in Münster geht von einem queerfeindlichen Hintergrund aus. „Wir ordnen den Fall nach Stand der Ermittlungen als queerfeindliche Gewalttat ein“, sagte Oberstaatsanwalt Dirk Ollech. Der Verdächtige sei in der Vergangenheit wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte verurteilt worden. Der Haftrichter habe Wiederholungsgefahr gesehen, auch das sei Grund für die U-Haft.
Der Lesben- und Schwulenverbands klagte, schon seit vielen Jahren gebe es in der Gesellschaft querfeindliche Einstellungen, die durch die „Echokammern“ im Internet noch angeheizt würden. Soziale Medien tragen dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Hass und Gewalt umschlagen, beklagte René Mertens vom LSVD.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) schrieb auf Instagram: „Der Täter dieses grausamen Hassverbrechens muss zügig zur Verantwortung gezogen werden.“ Es handele sich nicht um einen Einzelfall. „Das ist die traurige Folge von zunehmender Queerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft, die viel zu oft tödlich endet.“
Laut WDR wurden den Behörden 2021 bundesweit etwa 1000 queerfeindliche Gewalttaten bekannt – im Durchschnitt täglich drei Fälle. Eine hohe Dunkelziffer komme hinzu.