Putins Gas-Stopp: Wie geht es jetzt weiter?

von Redaktion

Nord Stream 1 ist wohl nicht kaputt, Gründe sind vorgeschoben – Speicher zu 85 Prozent gefüllt

Berlin – Erst gab es eine lange Wartungspause, dann kurz wieder Gas, bald wieder Wartungsarbeiten – und jetzt den Stopp. Angeblich wegen eines technischen Defekts bleibt der Gasfluss durch die Ostseepipeline vorerst unterbrochen. Vieles deutet auf eine Lüge hin und auf politische Gründe. Was nun?

Ist die Leitung kaputt?

Die Bundesnetzagentur bezweifelt das. „Die von russischer Seite behaupteten Mängel sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur technisch kein Grund für die Einstellung des Betriebs“, schreibt die Behörde. Ähnlich äußerte sich auch Siemens Energy als Hersteller der angeblich betroffenen Turbine. Die Abdichtung solcher Leckagen sei ein Routinevorgang im Rahmen von Wartungsarbeiten.

Kommt nun gar kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland?

Über Waidhaus in Bayern kann aber zumindest theoretisch russisches Pipeline-Gas nach Deutschland gelangen. Laut Bundesnetzagentur landen dort aber nur noch geringe oder gar keine Mengen an.

Woher kommt dann Gas nach Deutschland?

Vor allem aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden – und zwar deutlich mehr als zuletzt aus Russland. Am Donnerstag flossen nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 2900 Gigawattstunden Erdgas aus diesen Ländern nach Deutschland. Zum Vergleich: Am Montag, noch vor der angekündigten Lieferreduktion, transportierte Nord Stream 1 rund 348 Gigawattstunden russisches Erdgas. Anlaufstellen für zukünftige Importe sind zudem die Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) an Nord- und Ostsee, die gerade im Eiltempo geplant und gebaut werden. Zum Jahreswechsel sollen die ersten Anlagen den Betrieb aufnehmen.

Wird weiter Gas eingespeichert?

Ja. Aktuelle Zahlen der europäischen Gasspeicher-Betreiber zeigen aber, dass seit der Nord-Stream-Unterbrechung tendenziell weniger eingespeichert und mehr entnommen wird als zuvor. Die Füllstände steigen trotzdem, nach den aktuellsten Daten auf 85,02 Prozent am 2. September. Genaue Zahlen aus dem für Bayern wichtigen österreichischen Speicher Haidach liegen nicht vor, sie werden deutlich darunter geschätzt. Österreichweit waren es gestern 67,54 Prozent, Haidach dürfte darunter liegen.

Droht ein Gasmangel?

Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass die Gasspeicher zum 1. November zu 95 Prozent gefüllt sind. Klar war immer: Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespeicherte Gasmenge entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch der beiden Monate Januar und Februar 2022. Sie reicht also nicht für eine komplette Heizperiode. Gleichzeitig läuft der Gasimport in Herbst und Winter aber weiter, das dann verbrauchte Gas wird also nicht nur aus Speichern kommen. Trotzdem betont die Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Lagebericht noch einmal die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs.

Wird Gas nun noch teurer?

Das ist schwer vorherzusagen. Der Preis des Terminkontrakts TTF für niederländisches Erdgas, der als richtungsweisend für Gaspreise in Europa angesehen wird, war Ende August zunächst deutlich in die Höhe gegangen. Danach ging es allerdings ebenso steil bergab auf wieder etwas über 200 Euro. Die letzte Preiserhebung vor dem Wochenende datiert allerdings auf 15.59 Uhr am Freitag, also noch vor der Gazprom-Mitteilung zur weiteren Unterbrechung der Gasversorgung.  mm/dpa

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