„Ideologie“: FDP übt scharfe Kritik an AKW-Konzept

von Redaktion

Energie-Debatte belastet die Koalition – Söder fordert Machtwort von Bundeskanzler Scholz

Berlin – Der Stresstest beginnt – für die Koalition. Die FDP reagiert mit scharfer Kritik auf die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für eine Atomreserve. Tenor: Das reicht nicht ohne eine echte Verlängerung der Laufzeiten. Zum Teil wird es sogar emotional: „Ist Medienliebling Habeck seinem Amt wirklich gewachsen?“, fragt etwa Bayerns FDP-Chef Martin Hagen.

Habeck hatte am Montagabend eine Art Kompromiss vorgelegt. Der Atomausstieg kommt wie geplant zum Jahresende. Aber: Zwei der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bleiben noch bis Mitte April in einer Art Bereitschaft: Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Sie werden zwar vom Netz genommen, können aber bei Stromlücken wieder binnen einer Woche hochgefahren werden. „Man kann nicht ausschließen, dass sie einen Beitrag leisten können“, sagte Habeck am Montag. Dies sei aber kein Streckbetrieb, kein „Weiterlaufenlassen“.

Mehrere FDP-Leute äußern sich am Dienstag hoch unzufrieden. Auch der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christian Dürr: Es wäre richtig, sagt er, die drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen, „damit mehr Menge in den Markt kommt“. Mehr Menge bedeute sinkende Preise. Der Innenpolitiker Konstantin Kuhle, sonst keiner der Scharfmacher in der FDP, wirft Habeck vor, vor dem „linken Landesverband der Grünen in Niedersachsen“ einzuknicken und deshalb den dritten Meiler im Emsland ganz vom Netz zu nehmen. In Niedersachsen ist im Oktober Landtagswahl. „Habeck muss sich gegen die Ideologen in seiner Partei durchsetzen und den Weiterbetrieb aller drei Anlagen ermöglichen“, twittert Kuhle.

Von Grünen-Politikern ist indes Rückendeckung für Habeck angesagt. In Berlin äußern sich mehrere Abgeordnete zwar nicht begeistert vom Reserve-Modell, tragen das aber mit. Die bayerische Fraktionschefin Katharina Schulze sagt, Habeck entscheide logisch und handle verantwortungsvoll. Es sei „gut so“, dass der Atomausstieg insgesamt bleibe.

Wie der Konflikt in der Koalition gelöst wird, ist offen. Die FDP will von Habeck weitere Zugeständnisse einfordern. SPD-Kanzler Olaf Scholz legt sich vorerst nicht fest. Er bezeichnet es in einem „FAZ“-Interview als „völlig legitim“, dass die FDP „etwas anders“ auf die Atomkraft blicke. Die Regierung werde aber, um die Energieversorgung im Winter sicherzustellen, „sehr einvernehmlich handeln“.

Die Opposition setzt am Dienstag ihre scharfe Kritik fort. „Das Bundeswirtschaftsministerium wirkt an der Stelle eindeutig überfordert“, sagt CSU-Chef Markus Söder. Er wirft Habeck persönlich vor, sich nicht tief genug einzuarbeiten. Er betreibe ein „taktisches, grünes Lotteriespiel“ und agiere mit einer „Kette von Windungen und Unwahrheiten“. Habecks „Einzelentscheidung“ müsse die Bundesregierung insgesamt korrigieren. Scholz solle das zur „Chefsache“ machen, sagte Söder in München. Bisher hatte er Habeck noch nie derart scharf angegangen.

Unterdessen meldet Forsa einen leichten Rückgang der bisher hohen Beliebtheit von Habeck. Bei einer (theoretischen) Kanzler-Direktwahl wären noch 25 Prozent für Habeck (-2), 21 Prozent für Scholz (+1) und 18 Prozent für CDU-Chef Friedrich Merz (+2). Die Umfrage im Auftrag von RTL/ntv lief vor der Atom-Entscheidung, aber nach dem Gasumlage-Streit.  (mit afp)        C. DEUTSCHLÄNDER

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