Der Diktator droht, der Gaspreis fällt

Der Markt dreht Putin eine lange Nase

von Redaktion

VON GEORG ANASTASIADIS

Während der Westen – gut abzulesen auch an der gestrigen, überaus giftigen Debatte im Bundestag – hart mit den Folgen seiner Sanktionspolitik gegenüber Russland kämpft, gibt sich dessen Präsident unbeirrt. „Nur Vorteile“ habe der Ukraine-Krieg seinem Land bisher gebracht, behauptete Wladimir Putin in seiner Rede auf dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok. Das aber ist nicht nur eine Respektlosigkeit gegenüber den Angehörigen der zehntausenden gefallenen russischen Soldaten, sondern auch eine Lüge. Wie es jenseits des auftrumpfenden Auftritts des Diktators wirklich um Russlands Wirtschaft bestellt ist, verrät ein nun bekannt gewordener Bericht hoher Regierungsbeamter an den Kreml. Um „ein bis zwei Generationen“ werde der Mangel an westlicher Technologie Russland zurückwerfen. Auf bis zu 12 Prozent beziffert der Report den bis 2023 zu befürchtenden Einbruch der Wirtschaftsleistung im Vergleich zur Zeit vor dem Krieg.

Doch anders als die westlichen Demokratien, wo die Bürger ihre (berechtigte) Verzweiflung und ihre Wut auf die Straße tragen, leidet Russland still. Putin und sein KGB sorgen für Friedhofsruhe im Land. Die Milliarden-Mehreinnahmen aus den Energieverkäufen an Europa, derer sich Putin brüstet, werden bald versiegt sein, wenn gar kein Gas und Öl mehr den Weg zu westlichen Abnehmern findet. Schon jetzt drehen die Märkte dem Kriegsherrn eine lange Nase: Gas war gestern billiger als vor der Kreml-Ankündigung vom Freitag, den Gashahn ganz zuzudrehen.

Wie bitter nötig es ist, das Kreml-Regime von den Einnahmen zur Finanzierung seiner Kriegsabenteuer abzuschneiden, zeigt die von Putin am Vortag unterzeichnete Doktrin der „russischen Welt“, die ganz unverfroren postuliert: Russland ist da, wo Russen leben. Im Baltikum mit seinen großen russischen Minderheiten, aber auch anderswo dürfte man das als das verstanden haben, was es ist: eine Drohung. Nicht die westlichen Sanktionen sind eine Gefahr für die Welt, wie Putin in Wladiwostok behauptete. Sondern Russlands offen zur Schau getragener Imperialismus und die Kriegslüsternheit seines Präsidenten.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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