Migration: Zwölf Länder schlagen Alarm

von Redaktion

Zahlen steigen deutlich – Im Winter könnte auch Bayern an das Aufnahme-Limit kommen

München/Berlin – Das System heißt „Easy“, aber wie so oft passt der Begriff nicht recht zur Lage. Immer mehr Bundesländer melden sich in diesen Wochen von „Easy“ ab, dem System zur „Erstverteilung von Asylbegehrenden“. Bereits 12 von 16 Ländern geben an: kein Platz mehr für Flüchtlinge. „Das ist ein alarmierender Zustand“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegenüber unserer Zeitung. Die Gesamtzahl habe sich verfünffacht. Er warnt: Es wird sogar im Freistaat bald eng.

In der öffentlichen Debatte, geprägt erst von Corona, dann Ukraine und Energie, ist das weitgehend unbemerkt geblieben: Die Flüchtlingszahlen steigen spürbar, und zwar nicht aus der Ukraine. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den ersten sieben Monaten 113 171 Asylanträge gestellt, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Afghanistan, wo die Taliban wieder herrschen, wird als eines der Haupt-Herkunftsländer genannt.

Die Zahl wäre nicht alarmierend, aber sie trifft auf ein konstant hohes Niveau an Flüchtlingen aus der Ukraine. Weil dazu viele Frauen mit Kindern zählen, müssen sich Kommunen auch um Schulplätze kümmern. Am 26. August waren im Ausländerzentralregister 985 000 Menschen erfasst, die wegen des Ukraine-Krieges eingereist sind. Eine grobe Schätzung – ein Teil dürfte wieder ausgereist sein, ein anderer ließ sich nicht gleich registrieren.

Das Bundesinnenministerium sieht die Lage nicht dramatisch. Eine Verteilung sei „nach wie vor möglich, da große Länder auch aktuell weiter aufnehmen“, sagte eine Sprecherin unlängst.

Das Lagebild aus den meisten Ländern ist kritischer. Ein Sprecher des Migrationsministeriums von Baden-Württemberg berichtet, in den Erstaufnahmeeinrichtungen sei trotz eines Ausbaus der Kapazitäten bereits „Wochen vor der erfahrungsgemäß zugangsstarken Herbstsaison die Kapazitätsgrenze erreicht“. Man denke jetzt über Container nach. In Brandenburg werden zwei Notunterkünfte betrieben. Im Westen wird es in Städten wie Dortmund und Bonn, im Osten in Berlin sehr eng. Die NRW-Landesregierung drohte gestern mit Aufnahmestopp.

Auch in Bayern ziehen die Zahlen an. Die dezentralen Unterkünfte und die „Objekte“ – Leichtbauhallen und Hotels – seien „gut ausgelastet“, heißt es im Sozialreferat in München. Man bekomme „regelmäßig Zuweisungen von Geflüchteten aus Drittstaaten (nicht Ukraine)“. Mit Ende der Corona-Einreisebeschränkungen sei mit noch höherem Zuzug zu rechnen.

Auch Innenminister Herrmann sagt. „Wir müssen uns auf noch höhere Zugangszahlen einstellen.“ Er sagt, er habe am Mittwoch die Landkreise und kreisfreien Städte auf die Lage in den nächsten Monaten vorbereitet und sie „eindringlich gebeten, mit Hochdruck neue Unterkünfte zu akquirieren. Jede Kommune muss hier ihren Beitrag leisten. Andernfalls können wir in den Wintermonaten unsere Aufnahmefähigkeit nicht mehr garantieren.“

Herrmann sagt, Bayern stehe klar zum Asylrecht und der humanitären Verantwortung. „Es kann aber nicht sein, dass der Bund immer mehr Flüchtlinge aufnehmen möchte, die Länder aber dann bei der Aufgabenbewältigung im Stich lässt.“ Durch Leistungsverbesserungen für Asylbewerber setze der Bund noch mehr Anreize. „Hinzu kommen noch Fehlanreize bei der Reform des Bürgergeldes.“ C. DEUTSCHLÄNDER, S. OBERHUBER UND A. CLASMANN

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