Berlin – Robert Habeck verliert an diesem Morgen keine Zeit. Seine Rede im Bundestag hat gerade erst begonnen, da läuft der Wirtschaftsminister rhetorisch bereits auf Hochtouren. Es hat sich eine Menge angestaut bei ihm: der Streit um die Gasumlage, das Hin und Her bei den AKW-Laufzeiten und dann noch sein verunglückter Talkshow-Beitrag zum Thema Insolvenz. All das entlädt sich nun in wenigen Sekunden.
Am Vortag in der Generaldebatte waren es zwar Olaf Scholz und Friedrich Merz, die sich einen spektakulären Schlagabtausch lieferten, doch schon da ging es immer wieder auch um Habeck. Der kritisiert nun den „Sound der Selbstkritiklosigkeit“, mit dem die Union sich an der Energiepolitik der Ampel abarbeite und der eine Antwort erfordere. Die kriegt sie. „Lieber Herr Merz“, richtet sich Habeck also an den Oppositionsführer, „16 Jahre lang hat die Union dieses Land regiert und viele Bundesländer. 16 Jahre energiepolitisches Versagen. Und wir räumen in wenigen Monaten auf, was Sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben.“
Habeck zielt damit auf den selben Punkt wie der Kanzler einen Tag zuvor. Bei Scholz klang das in dieser Schärfe ungewohnt, bei Habeck ist es ein vertrauterer Modus. Obwohl seit einer Woche nahezu kein Gas mehr aus Russland komme, befülle man die Speicher, erinnert er. Man sei also unabhängig von Russland, dank der Planung der letzten Monate. Die Union zeige derweil, „wes fossilen Geistes Kind Sie noch immer sind“. Mehr als „Oppositionsgeklingel“ und „Möchtegern-Wirtschaftspolitik“ habe sie nicht zu bieten.
Doch so angriffslustig der Minister sein mag, ist es auch eine Verteidigungsrede. Für ihn läuft es nicht gut: sinkende Umfragewerte, unschöne Schlagzeilen. Vom „Kanzler der Herzen a. D.“ schreibt der in Berlin gut vernetzte Kommunikationsberater Hendrik Wieduwilt in einem Essay. „Der Posterboy der politischen Kommunikation“, in den „die Magazine verliebt waren“, werde von seinen „schweren Managementfehlern erschüttert“. Und die Fallhöhe für ihn sei enorm.
Im Bundestag versucht Habeck nun zumindest, seine umstrittenen Talkshow-Äußerungen über Bäckereien zu glätten, die angeblich nicht insolvent gingen, sondern „nur“ den Betrieb einstellten. Fachlich, darauf weisen selbst Ökonomen hin, ist das nicht zwingend falsch – aber unglücklich kommuniziert. Die Opposition watscht ihn grob her dafür. Ein AfD-Mann geht ihn als „Traumtänzer“ und „Geisterfahrer“ an. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert erneut, der Kanzler müsse Habeck „den Stecker ziehen“. Und Jens Spahn (CDU) geht zornig noch mal auf den Ärger um die Gasumlage ein: „Stoppen Sie diese Chaos-Umlage, stoppen Sie diesen Irrsinn!“
Der Minister kontert, indem er ein Programm für die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen vorlegt. Man werde „einen breiten Rettungsschirm aufspannen“, sagt Habeck nun. Er solle so breit sein, dass auch Platz für die Kleinsten sei. Diese Passagen der Habeck-Rede sind nicht mehr so pointenreich. Aber sie liefern Antworten, die dem Minister zwei Tage zuvor im Fernsehstudio noch fehlten.
In der Defensive bleibt Habeck an diesem Tag dennoch – auch wegen seines AKW-Notfallsplans. Es fällt auf, dass der grüne Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann, eigentlich ein fast väterlicher Freund, ihm kaum zur Seite springt. Ein Alarmsignal ist auch, dass der AKW-Ärger in der Koalition weitergeht. Im Bundestag stellen sich FDP-Abgeordnete offen gegen ihn. „Wir erzeugen zu viel Strom aus Gas“, rügt FDP-Landesgruppenchef Karsten Klein. Und, seine linke Hand saust wie auf und nieder am Rednerpult, „ein Reservebetrieb ist zu wenig – wir brauchen einen Weiterbetrieb. Dieser Realität müssen Sie sich stellen.“