Wenn selbst der einst schärfste Verfechter strenger Regeln sich das Prosit der Gemütlichkeit nicht mehr nehmen lässt, spricht das für sich. Am Mittwoch hat Markus Söder die Berliner (Mini-)Ausgabe der Wiesn eröffnet und von seiner Vorfreude auf das Original gesprochen. Von Vorsicht und Corona-Skepsis war da keine Rede mehr, es hätte auch seltsam geklungen. Der Ministerpräsident hat in den vergangenen Wochen kein Bierzelt ausgelassen.
Die strengen Maßnahmen der vergangenen Winter, wo selbst für Parkbänke und den Steg am See penible Regeln galten, wirken heute wie aus einer anderen Zeit. Auch in früheren Phasen der Pandemie ist von der Normalität geredet worden, die man – in Grenzen – anstrebe. Das hat nicht immer so richtig hingehauen, doch diesen Winter könnte es klappen. Die neuen Regeln sind überwiegend maßvoll, weder lax noch alarmistisch. Sie lassen mehr Freiheiten dort, wo es Sinn macht (Flugzeuge), und bleiben streng, wo es um sensible Bereiche geht. Auch dass das Gesetz Spielraum für Verschärfungen bietet und den Ländern Kompetenzen lässt, regional nachzusteuern, ist gut. Vorsicht wird trotzdem ein guter Ratgeber sein. Es kann immer noch ungemütlich werden.
Marc.Beyer@ovb.net