VON GEORG ANASTASIADIS
Es ist nur ein gutes halbes Jahr her, da übernahm Friedrich Merz die zerstörteste CDU aller Zeiten. Dass er die Ampel-Regierung am Wochenende schon wieder als „schwächste Bundesregierung aller Zeiten“ geißeln durfte, ohne eine dicke Lippe zu riskieren, zeigt, wie sehr sich die Union unter seiner Führung gefangen und Gräben zugeschüttet hat. Der konservative Merz hat sich nicht die Liebe der Merkel-Mitte in der CDU erworben, aber ihren Respekt. Das ist gut. Eine starke Demokratie braucht eine starke Opposition.
Auf dem Parteitag in Hannover krönte der Spätberufene sein Versöhnungswerk, indem er die im konservativen Flügel unpopuläre Frauenquote durchsetzte. Die neue Rolle als Reservekanzler zwingt den alten Wirtschaftsliberalen in die Mitte der Union. Sein Kollege Markus Söder von der CSU hieße nicht Söder, hätte er nicht die Marktlücke erkannt – und besetzt. Söders grüne Phase ist vorbei, erkennbar an seinem mit giftigen Angriffen auf die Grünen und deren Gesellschaftsbild gespickten Parteitags-Gastspiel.
Söders Rede glich eher einem Bierzelt-Auftritt, von denen er in Bayern zuletzt ja etliche absolviert hatte. Er streichelte die konservative Unionsseele, wetterte gegen das Gendern, die Antidiskriminierungsbeauftragte und die linke Cancel Culture. Manchen CDU-Delegierten war der neue Söder-Sound zu deftig, einige haben ihm seine Rolle bei der Demontage Laschets nicht verziehen, und manche rieben sich die Augen ob der erneuten Wandlung des selbst erklärten Ober-Merkelianers. Aber der CSU-Chef lieferte einige interessante Fingerzeige auf den bayerischen Landtagswahlkampf. Söder hat ihn am Wochenende eröffnet. Er dürfte hitzig werden.
Georg.Anastasiadis@ovb.net