„Putin wird scheitern“

von Redaktion

VON MARC BEYER

München/Straßburg – An Symbolik lässt es Ursula von der Leyen nicht mangeln. Als die EU-Kommissionspräsidentin gestern in Straßburg vor das Europäische Parlament tritt, um ihre jährliche Rede zur Lage der EU zu halten, trägt sie die Landesfarben der Ukraine: blaues Oberteil, gelber Blazer. Sie erscheint nicht allein, sondern mit Olena Selenska, der Ehefrau des ukrainischen Präsidenten. Und auch deren Mann werde sie sehr bald treffen, kündigt von der Leyen an. Noch am selben Tag bricht sie auf nach Kiew, zu ihrem dritten Besuch seit Beginn des Krieges.

Die ersten beiden Reden zur Lage der EU, die die Kommissionspräsidentin 2020 und 2021 hielt, standen im Zeichen der Corona-Pandemie. Der Zusammenhalt, den sie schon damals beschwor, ist auch diesmal ihr großes Thema – mit dem Unterschied, dass die Herausforderung noch einmal eine ganz andere ist. Es gehe um „Autokratie gegen Demokratie“, die freie Welt werde auf die Probe gestellt. „Und zwar von denen, die jede Art von Spaltung zwischen uns ausnutzen wollen.“

Zwei Kernbotschaften hat von der Leyen an diesem Vormittag. Die eine betrifft den Krieg in der Ukraine unmittelbar, sie zielt ab auf die Geschlossenheit der westlichen Welt gegen einen Aggressor, dem jedes Mittel recht ist. Der russische Krieg sei „ein Krieg gegen unsere Energieversorgung, ein Krieg gegen unsere Wirtschaft, ein Krieg gegen unsere Werte und ein Krieg gegen unsere Zukunft“, sagt von der Leyen. Ein Ende der Sanktionen gegen Russland werde es nicht geben: „Dies ist der Preis für Putins Spur des Todes und der Vernichtung.“ Sie lässt keinen Zweifel daran, welchen Ausgang sie erwartet: „Putin wird scheitern, die Ukraine und Europa werden siegen.“

Die zweite Botschaft geht hinein in die EU, deren Bürger dem kommenden Winter angesichts steigender Energiepreise mit wachsendem Unbehagen entgegenblicken. „Die nächsten Monate werden nicht leicht“, weiß auch die Kommissionspräsidentin. Nach all den Sanktionspaketen, die sie in den vergangenen Monaten hat schnüren lassen, spricht sie nun über einen Strauß von Maßnahmen, die den Bürgern in der EU zugute kommen sollen.

Zur Entlastung der Verbraucher sollen nun übermäßige Gewinne von Energiefirmen in der EU abgeschöpft und umverteilt werden. Mehr als 140 Milliarden Euro hofft von der Leyen damit zu erzielen. Der Plan sieht vor, dass Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, einen Teil ihrer Gewinne abgeben. Weil der Strompreis derzeit durch den hohen Gaspreis getrieben wird, verdienen auch Produzenten von billigerem Strom aus Sonne, Wind oder Atomkraft deutlich mehr.

Details nennt von der Leyen nicht, einem öffentlich gewordenen Gesetzesentwurf zufolge könnten jedoch Einnahmen ab 180 Euro pro Megawattstunde an den Staat gehen. Davon würde die Entlastung der Bürger finanziert. Die Bundesregierung hatte sich für ähnliche Schritte stark gemacht.

Auch Gas- und Ölkonzerne sollen über eine Krisenabgabe einen Beitrag leisten. Dem Entwurf zufolge sollen sie auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen, eine Abgabe von 33 Prozent zahlen. Die Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden im Parlament begrüßte die Vorschläge. Als nächstes beraten die EU-Staaten über den Gesetzesvorschlag – das nächste Treffen der Energieminister ist Ende September.

In Kiew trifft von der Leyen Präsident Wolodymyr Selenskyj. Im Mittelpunkt wird der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen stehen. Man müsse darauf hinarbeiten, dass die Ukraine einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe und umgekehrt, sagt sie. Der sei „eine der größten Erfolgsgeschichten Europas. Nun ist es an der Zeit, ihn auch für unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde zu einer Erfolgsgeschichte zu machen.“ mit afp

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