London – Wenn es stimmt, dass der erste Eindruck entscheidet, dann kann für König Charles III. nicht mehr viel schiefgehen. Die Schlagzeilen der britischen Presse sprachen eindeutig für das neue Staatsoberhaupt. Demonstrativ demütig gab sich Charles bei seinen ersten öffentlichen Auftritten. Ob beim Bad in der Menge vor dem Buckingham-Palast, wo er minutenlang Hände schüttelt und sich entgegen des royalen Protokolls sogar küssen lässt. Ob beim Überraschungsbesuch in der Warteschlange vor der Westminster Hall. Oder in seiner ersten Ansprache an die Nation und bei seiner Proklamation: Stets betonte der 73-Jährige das Erbe seiner Mutter Königin Elizabeth II. und traf dabei den richtigen Ton.
Hatte es bis zum Tod der Queen noch oft geheißen, Charles werde bei der Thronfolge möglicherweise übersprungen oder die Krone schnell an seinen Sohn William weiterreichen, ist nun klar: Charles ist fest entschlossen, für den Rest seines Lebens in die großen Fußstapfen seiner Mutter zu treten. Doch das wird schwieriger, als es in den ersten Tagen der Trauer noch scheint.
Zunächst kommt es gut an, wie König Charles öffentlich auftritt. Man sei „gesegnet“, dass Charles so über sich hinausgewachsen sei und es keine gefühlte Lücke nach dem Tod der Queen gegeben habe, ergötzt sich eine Kommentatorin der BBC. Doch die ersten Fettnäpfchen lauern schon. Etwa, als Charles bei laufender Kamera mit herrischer Geste seine Mitarbeiter instruiert, ein ihm offenbar nicht genehm platziertes Tintenfass zu entfernen. Oder als er sich Mitte vergangener Woche in Nordirland in ein Gästebuch einträgt. „Ich kann dieses blöde Ding nicht ertragen“, grummelt der König, als sein Füllfederhalter ausläuft. „Jedes verdammte Mal“ passiere das, schimpft er, „ich hasse das.“ Da kommt der aufbrausende Charles wieder durch, was ihm im Netz sofort Spitznamen wie „König Charles der Grantige“ einbrachte. Es gehört zum Schicksal des Monarchen, dass ihm die Öffentlichkeit auf die Finger schaut.
Pflichterfüllung. Das war für die Queen immer ein Pfeiler ihrer langen Regentschaft. In seinen ersten Äußerungen hat Charles betont, dass er diese Tugend fortführen möchte. Allerdings hatte Charles bisher ein völlig anderes Image als die Queen. Während diese dafür gerühmt wurde, ihrer Neutralitätspflicht dermaßen konsequent zu entsprechen, dass niemand sie im Parteienspektrum auch nur ungefähr einordnen konnte, gilt Charles als politischer Mensch mit klaren Standpunkten.
Sein großes Thema ist der Umwelt- und Klimaschutz, und das schon seit vielen Jahrzehnten. Anfangs wurde er dafür oft belächelt. Der Thronfolger galt als Exzentriker, für den es nichts Schöneres gebe, als auf seinem Landgut Highgrove in Gummistiefeln die Beete umzugraben und begütigend auf Schnittlauch und Brunnenkresse einzusprechen. Er selbst reagierte darauf mit dem ihm eigenen Selbstspott. Als er einmal mit einem dicken Verband zu einer Museumseröffnung erschien, meinte er: „Wenn man sich schon seit so langer Zeit mit Bäumen unterhält, wie ich es tue, trifft man früher oder später zwangsläufig auf eine angriffslustige Eiche.“
Inzwischen allerdings hat Charles eine Reputation als Klimaschützer der ersten Stunde aufgebaut. Beim Klimagipfel von Glasgow im vergangenen Jahr soll US-Präsident Joe Biden zu ihm gesagt haben: „Sie haben das alles ins Laufen gebracht.“ Und der US-Sondergesandte John Kerry warb am Wochenende dafür, dass Charles auch weiter seine Stimme für den Klimaschutz erhebt: „Er ist ein enorm wichtiger Vermittler und jemand, der die Fähigkeit hat, die Art von Handeln in Gang zu bringen, die wir jetzt weltweit brauchen.“
Viele erwarten, dass Charles sich weiter positionieren wird – allerdings vorsichtiger als bisher. „So dumm bin ich nun auch nicht“, stellte er dazu 2018 in einem BBC-Interview klar. „Die Vorstellung, ich würde genau so weitermachen wie vorher, ist wirklich Unsinn.“
Sollte es ihm dagegen gelingen, die richtige Balance zu finden, könnte es für das Ansehen Großbritanniens sogar von Vorteil sein, einen humanitär engagierten, „grünen König“ zu haben. Vor allem könnte das Charles bei der Jugend populärer machen, bei der seine Sympathiewerte nicht berauschend sind. Schuld daran ist sein Ruf als hartherziger und untreuer Ehemann Dianas – ein Bild, das durch die populäre Netflix-Serie „The Crown“ neu befeuert wurde.
Hinzu kommt, dass König Charles die Fliehkräfte im von seiner Mutter mit viel Einsatz gepflegten Commonwealth-Verbund immer stärker zu spüren bekommt. Gerade in den ehemaligen Kolonien in der Karibik regt sich Widerstand. Der Regierungschef von Antiqua und Barbuda kündigte nach dem Tod der Queen ein Referendum über die Loslösung vom britischen Königshaus an. In Jamaika gibt es ähnliche Absetzbewegungen. Und Barbados hat sich bereits im November vom Königshaus losgesagt. Der Zusammenhalt bröckelt. Ein Konflikt, der an Fahrt gewinnen dürfte, wenn nach der Jahrhundert-Trauerfeier für Queen Elizabeth II. allmählich der Alltag zurückkehrt. Dann braucht König Charles mehr als einen guten ersten Eindruck.
Erste Fettnäpfchen: Tintenfass und Füllfederhalter
Die Fliehkräfte im Commonwealth werden stärker