Die Tage der Gasumlage sind gezählt

von Redaktion

VON M. SCHIER, C. HOEFER UND C. HIRSCH

München/Berlin – Der Kanzler meldet sich aus weiter Ferne. Es sind typische Scholz-Sätze, doch wer will, kann da schon so etwas wie ein Machtwort hineindeuten. Es werde bald Vorschläge für eine Dämpfung der Gaspreise geben, sagt Olaf Scholz während seiner Reise durch die arabischen Länder. Es gehe jetzt darum, „wie wir die viel zu hohen Preise reduzieren können, und zwar sowohl diejenigen für Strom als auch diejenigen für Gas“. Eine Kommission habe dazu am Samstag Beratungen aufgenommen und leiste „sehr gute, konstruktive“ Arbeit. „Wir werden da mit schnellen Ergebnissen rechnen können.“

Es gerät also etwas in Bewegung – nach Tagen der Kritik und des Unmuts über Gasumlage und -preise. Immer heftiger hatte die Opposition zuletzt auf die Ampel-Parteien eingedroschen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nennt die Umlage, die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Rettung der Gaskonzerne erdacht worden war, eine „Habeck-Steuer“. Er sagt: „Eine Umlage für ein Unternehmen, das jetzt dem Staat gehört, ist doch nichts anderes als eine neue Steuer.“ Dafür fehle jede Grundlage. „Der Kanzler muss ein Machtwort sprechen und diesen Irrsinn endgültig beerdigen.“

Tatsächlich ist am Wochenende in der Ampel einiges in Bewegung geraten. „Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Sein SPD-Kollege Lars Klingbeil hatte bereits am Freitag erklärt, eine Regierung brauche „auch die Kraft, Wege noch einmal zu überdenken und zu korrigieren“. SPD-Parteichefin Saskia Esken sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Woche zu einem Ende der Gasumlage kommen.“ Und sogar Habeck selbst verkündete: „Die Gaspreise müssen runter, die Kosten für Wirtschaft und Haushalte müssen begrenzt werden.“ Man müsse jetzt „alle Finanzkraft des Staates aufbringen, die nötig ist, um die gute Substanz unserer Volkswirtschaft durch diese Krise zu führen und den sozialen Zusammenhalt zu wahren“.

Die Tage der Umlage scheinen also gezählt, ein Preisdeckel rückt näher. Im Gegenzug müsste sich wohl Finanzminister Christian Lindner von seinem Plan verabschieden, die Schuldenbremse durchzudrücken. „Aus so einer Krise kann man sich nicht raussparen“, sagt Grünen-Chefin Ricarda Lang.

Während die Bundesregierung sich also einer einheitlichen Linie nähert, beginnen die Bundesländer einen Streit. Die norddeutschen Flächenländer fordern eine Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen zulasten Süddeutschlands. Nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ wollen sie günstigere Strompreise für ihre Bürger und Unternehmen. Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) sagt: „Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein.“ Der Norden trage seit Jahren die Hauptlast der Energiewende. Dort ist die Windstromproduktion in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) nannte eine Aufteilung in Preiszonen „die logische Konsequenz des energiepolitischen Irrweges“ bayerischer Staatsregierungen. Mehr als 15 Jahre lang hätten diese den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft sabotiert.

Die Staatsregierung reagiert entrüstet und stellt eine Gegenrechnung mit dem Länderfinanzausgleich an. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beziffert die Zahlungen Bayerns auf über neun Milliarden Euro, die Gesamtsumme in den vergangenen Jahrzehnten auf bislang über 100 Milliarden. „Wir zahlen circa zehn Prozent der norddeutschen Haushalte“, sagt Söder. Es könne deshalb nicht sein, dass Bayern ständig angegriffen werde. Und Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nennt die norddeutschen Forderungen „schlicht unverschämt“.

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