Berlin – Olaf Scholz ist nur ein bisschen da. Ein großer Flachbildschirm steht im Pressesaal des Kanzleramts, darauf ist per Video Scholz zu sehen, wie er acht Stockwerke höher in eine Kamera spricht. So ist das, wenn der Kanzler Corona hat, in Isolation in seine kleine Dienstwohnung verbannt ist, aber etwas Wichtiges mitteilen muss. So wunderlich der Rahmen auch wirkt, so bedeutsam ist das, was Scholz zu sagen hat. Er verkündet die wohl größte Staatsausgabe überhaupt, ein Rettungspaket – für alle.
Die Strom- und Gaspreise würden, so sagt Scholz ernst und mit noch leicht belegter Stimme, „dramatisch sinken“. Keiner müsse sich mehr Sorgen machen, „wenn er an Herbst und Winter denkt, an Weihnachten, an die Rechnungen“. 200 Milliarden Euro stellt die Regierung bereit. „Doppel-Wumms“ sagt er mit Blick auf dieses und die bisherigen Hilfspakete.
Worauf sich die Koalition verständigt hat: Es wird eine Gaspreisbremse geben. Mindestens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Gaspreise so gedeckelt werden, dass private Haushalte und Unternehmen nicht überfordert sind. Was das genau bedeutet, ist aber noch offen. Eine Kommission soll bis Mitte Oktober Vorschläge machen. Der Regierung ist wichtig, dass trotzdem ein Anreiz zum Gassparen bleibt.
Auch der Strompreis für einen Basisverbrauch soll gedeckelt werden – Details sind auch hier noch offen. Dieser Preisdeckel soll über eine Abschöpfung hoher Gewinne von Stromkonzernen bezahlt werden. Denn Anbieter von Ökostrom zum Beispiel können wegen der hohen Gaspreise derzeit auch für ihren Strom extrem viel verlangen.
Die umstrittene Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde für alle Gaskunden wird laut Scholz nicht mehr gebraucht. Die Verordnung wird zurückgezogen, bereits gezahltes Geld soll laut Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zurückgezahlt werden.
Die Mehrwertsteuer auf die Lieferung von Gas soll wie geplant vom 1. Oktober an von 19 auf 7 Prozent reduziert werden. Gleiches solle für Fernwärme gelten, sagte Habeck. Die Maßnahme soll bis Ende März 2024 gelten.
Für Firmen, die nicht ausreichend von den Strom- und Gaspreisdeckeln profitieren, soll es Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen geben. Diese sollen zielgerichtet ausgerichtet werden, wie groß die durch den russischen Krieg in der Ukraine verursachte Notlage ist, um Mitnahmeeffekte auszuschließen.
Die 200 Milliarden Euro sollen nicht aus dem regulären Bundeshaushalt kommen, sondern aus dem „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ (WSF). Dieses Sondervermögen war in der Corona-Krise zur Rettung größerer Unternehmen gebildet worden und wird nun wiederbelebt. Der Bund will es „mit zusätzlichen Kreditermächtigungen“ in Höhe von 200 Milliarden Euro füttern. Dafür muss der Bundestag erneut eine Ausnahme der Schuldenbremse beschließen. Auch wenn das Geld über die nächsten Jahre peu á peu abfließen wird, soll es noch in diesem Jahr bereitgestellt werden. So muss FDP-Finanzminister Christian Lindner sein Versprechen nicht brechen, 2023 die Schuldenbremse wieder einzuhalten.
Die Reaktion aus der Union ist uneinheitlich. Er sehe „doppelte Fragezeichen, keinen Doppel-Wumms“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hingegen lobte die Pläne im Grundsatz. Es scheine sich um den geforderten „großen Wurf“ zu handeln, sagte er in einer ersten Reaktion.