München – Soziale Netzwerke sind für Politiker eine tolle Plattform, um mit – oft jüngeren – Wählern in Kontakt zu kommen. Und sie sind eine gefährliche Zone, in der sie sich komplett blamieren können. Letzteres ist nun – mal wieder – Hubert Aiwanger widerfahren. Doch der Vorgang ist mehr als ein gewöhnlicher Shitstorm. Es steht zumindest der Verdacht im Raum, dass Aiwanger (oder Mitarbeiter) falsche Accounts betreiben, um Aiwanger zu loben.
Was ist passiert? In einer hitzigen Twitter-Debatte postet der Chef der Freien Wähler am Donnerstagabend plötzlich Zeilen, die ihn in dritter Person loben: seinen Verstand, seine Pragmatik (siehe Foto). Pikant: Die exakt gleichen Zeilen finden sich 19 Minuten zuvor bei einem User, der sich @PeterMl64582938 nennt. Sofort kommt die Frage auf, ob Aiwanger auch diesen Account benutzt und nur vergessen hat, sich umzumelden. Der Minister selbst dementiert natürlich. Er habe lediglich den Tweet zitiert, sagt sein Sprecher – erklärt aber nicht, warum Aiwanger das Zitat nicht kenntlich machte. Wichtig ist dem Sprecher die Feststellung: „Hubert Aiwanger besitzt keinen Fakeaccount, derartige Unterstellungen sind an den Haaren herbeigezogen.“
Tatsächlich kann man bezweifeln, dass es sich bei dem ominösen Peter Müller um Aiwangers Zweitaccount handelt. Der kritisiert Politiker und ihre Diäten, schimpft auf den Islam und bei Corona fällt das Wort Diktatur.
Es ist weiß Gott nicht das erste Mal, dass Aiwanger Ärger auf Twitter hat. 2012, die Politik wurde mit dem neuen Medium gerade warm, twitterte Aiwanger plötzlich Blondinenwitze. Die Aufregung war groß. Aiwanger sprach von der „technischen Fehlleistung“ eines Mitarbeiters und erklärte: „Wenn das so weitergeht, schalte ich den Mist ab.“ Tatsächlich war der Account @AiwangerHubert bald Geschichte, doch später kehrte der Politiker als @HubertAiwanger zurück.
Doch nach der Bundestagswahl 2021 bekam er noch größeren Ärger, weil er vor Schließung der Wahllokale sogenannte Nachwahlbefragungen veröffentlichte, die die Freien Wähler unter fünf Prozent sahen. Er versah das mit dem Hinweis: „Die letzten Stimmen bitte jetzt noch an uns.“ Eigentlich ist es verboten, solche Zahlen zu veröffentlichen, das Strafmaß geht bis zu 50 000 Euro. Der damalige CSU-General Markus Blume sprach von einem „unglaublichen Fall von Wahlmanipulation“. Aiwanger bezeichnete den Tweet, den er nach kritischen Kommentaren wieder löschte, als „Missgeschick“. Der Bundeswahlleiter verhängte letztlich übrigens keine Strafe – mit der nicht gerade schmeichelhaften Begründung, dass Aiwanger keine echten Befragungen, sondern frei erfundene Zahlen gepostet hatte.
In Diskussionen agiert der stellvertretende Ministerpräsident, der heute fast 25 000 Follower hat, durchaus hemdsärmelig. Kritiker – auch Politiker anderer Parteien – werden schon mal blockiert. Dafür lässt er sich auf wilde Debatten ein, auch mit anonymen Usern. Als ein Account namens „Schwein“ ihn am Donnerstag wegen seiner Energiepolitik kritisiert, antwortet Aiwanger mit: „Grunz“. Diesmal ist die Urheberschaft klar. MIKE SCHIER