Oslo – Am 70. Geburtstag von Kremlchef Wladimir Putin ist Menschenrechtlern aus Belarus, Russland und der Ukraine der diesjährige Friedensnobelpreis zugesprochen worden. Der wichtigste Friedenspreis der Erde geht diesmal an den inhaftierten belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki, die russische Organisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties (CCL). Experten sehen darin auch ein Signal an Putin und weitere Autokraten in der Welt.
Das norwegische Nobelkomitee würdigte Bjaljazki, Memorial und das ukrainische „Zentrum für bürgerliche Freiheiten“ für ihre Rollen, die sie in ihren Ländern für die Zivilgesellschaften spielen. Die Preisträger setzten sich seit vielen Jahren für den Schutz der Grundrechte der Bürger und das Recht ein, Machthabende zu kritisieren, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. Dabei bemühten sie sich ganz besonders darum, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und den Missbrauch von Macht zu dokumentieren.
Zum ersten Mal sind ukrainische und belarussische Akteure unter den Friedensnobelpreisträgern. Aus Russland war erst im Vorjahr ein Putin-Gegner ausgezeichnet worden: Damals ging der Preis an Dmitri Muratow und die Philippinerin Maria Ressa, beides Journalisten.
Der seit mehr als einem Jahr in einem belarussischen Gefängnis inhaftierte Bjaljazki kämpft seit Jahren für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. Internationale Berühmtheit erlangten er und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum Wesna im Zuge der Massenproteste im Sommer 2020.
Memorial in Russland, das sich für politisch Verfolgte einsetzt, wurde 2021 auf Anweisung der Behörden aufgelöst, weil es gegen Gesetze verstoßen haben soll. Auch am Freitag bekam die Organisation die Härte der russischen Justiz zu spüren. Memorial verliert nach ihrer Auflösung nun auch ihren Stammsitz in Moskau. Ein Gericht in der russischen Hauptstadt schlug das Gebäude in einem als politisch motiviert kritisierten Verfahren dem russischen Staat zu.
Das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten macht seit Kriegsbeginn unter anderem auf die Lage von ukrainischen Gefangenen aufmerksam. Allen drei Preisträgern wurde auch bereits der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bezeichnete Right Livelihood Award zugesprochen – den Ukrainern von CCL erst vergangene Woche, den anderen beiden vor einigen Jahren.
Reiss-Andersen betonte mit Blick auf Putin zwar: „Wir geben einen Preis immer für etwas und an jemanden – nicht gegen jemanden.“ Die Auswahl der Preisträger kann aber durchaus als ein Zeichen gegen das Vorgehen Putins und auch des mit ihm verbündeten Lukaschenko gewertet werden, der am Freitag zu den Gästen von Putins Geburtstagsfeier zählte. Es gehe jedoch um mehr als um Putin und den Ukraine-Krieg, sagte der Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith. „Ich denke, das Komitee sendet die Botschaft, dass Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und eine aktive Zivilgesellschaft Teile des Friedens sind“, sagte Smith. „Ich glaube nicht, dass man dem widersprechen kann.“
Aus der Ukraine kam allerdings Kritik. „Das Nobelpreiskomitee hat eine interessante Auffassung des Wortes ,Frieden‘, wenn den Friedensnobelpreis zusammen Vertreter zweier Länder erhalten, die ein drittes überfallen haben“, schrieb der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, auf Twitter.