München – Manchmal wollen die Leute einfach keine Politiker sehen. Markus Söder hat das selbst erlebt, in der Pubertät. Als er da ab und zu eine Liebschaft mit nach Hause in sein Jugendzimmer brachte, wo ein Poster von Franz Josef Strauß über dem Bett hing, war es mitunter plötzlich aus. „Wenn jetzt manche den Schwellkopf sahen, sagten sie nur: ,Was willst du denn mit dem?‘“ Und vorbei sei es gewesen mit dem kuscheligen Abend. So hat es Söder neulich launig bei einem Auftritt in Nürnberg selbst erzählt.
Über die Politikerverdrossenheit von damals kann er heute zwar lachen. Über die Politikerverdrossenheit von heute wachsen aber spürbar die Sorgen. Es ist ernst. Wieder nähert sich das Land dieser Phase, in der die Menschen einfach keine Politiker sehen wollen. Der Unmut über „die da oben“ steigt. Jetzt lässt sich das auch in einer wichtigen Umfrage nachlesen. Im BR-„Bayerntrend“, der als seriös gilt, nicht irgendwie im Internet zusammengeknipst, verlieren fast alle Politiker und Parteien spürbar. Söder – und seine Gegner.
Die vordergründigen Zahlen: In der Sonntagsfrage von Infratest dimap rutscht die CSU auf 37 Prozent, der Partner Freie Wähler landet bei 11. Die Koalition hätte also eine parlamentarische Mehrheit, aber nicht jeden zweiten Wähler hinter sich. Die Grünen bleiben mit 18 Prozent stärkste Oppositionspartei, von einer eigenen Mehrheit weit weg. Die SPD sinkt auf 10. Der FDP (3) droht der Rauswurf aus dem Landtag, wie zuletzt in Niedersachsen und im Saarland. Die AfD schiebt sich mit 12 Punkten auf Platz drei in Bayern.
Das Murren geht in der Detail-Bewertung weiter. 54 Prozent sind mit der Staatsregierung unzufrieden, 44 Prozent zufrieden – im Januar war es umgekehrt. Grüne, SPD und FDP sinken ebenfalls im Ansehen. Das Personal erhält schlechtere Noten. Mit Söder selbst sind nur noch 50 Prozent zufrieden, gleichauf mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Die Werte für Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (39 Prozent zufrieden), den Grünen-Fraktionschefs Katharina Schulze (25) und Ludwig Hartmann (19) sind auf niedrigem Niveau stabil. 69 Prozent der Bayern klagen über die Arbeit der Bundesregierung in Berlin.
Der Bayerntrend wird überschattet von der Energie-Krise und dem Ukraine-Krieg. 64 Prozent der Bürger sind beunruhigt, ein Höchstwert in der Geschichte der Umfrage, und das quer durch alle Parteien. 61 Prozent fürchten, Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können.
Für Söder sind die Werte ein Jahr vor der Landtagswahl kein Ruhekissen. Eigentlich hatte ihn eine andere Umfrage Anfang Oktober als bundesweit beliebtesten Politiker ausgewiesen. Er versucht derzeit, der CSU wieder Zuversicht einzuimpfen. „Es ist noch nicht alles gut, aber es ist vieles besser“, sagte er vor einigen Tagen bei der Jungen Union. Er hält sich auffällig aus Berliner-Debatten raus, kein Wort zur Niedersachsen-Wahl, wenig zum Gaspreisdeckel, nur das Nötigste zu Corona – statt dessen enorm viele Auftritte im Land, Feste, Einweihungen, Spatenstiche, Orden.
In der CSU, die sich Ende des Monats zum Parteitag trifft, gilt aktuell als Faustregel: Bei Umfragen ab 40 Prozent bleibt’s ruhig. Die CSU liegt nun klar darunter, Söder selbst darüber. Allerdings kann sich auch die Opposition nicht zugute halten, dass ihr die gehäuften Attacken auf Söder – Stammstrecke, Masken-Deals – helfen.
Einen Gewinner gibt es neben der AfD: Es ist Aiwanger mit seinen Freien Wählern, die leicht zulegen. Er hatte Spott eingefahren für seine Aktionen, als er einem Bauern ein Kuhfladen-Bußgeld erstattete. Oder auf Twitter („#grunz“) Kritiker ruppig anging. Der Parteichef führt seine Werte nun auch auf seine unkonventionelle Art zurück: „Die Menschen sind diese Kleinklein-Debatten im Land leid und wollen eine Politik, die anpackt, die offen und unverblümt anspricht, wo der Schuh drückt.“